Randnotizen IV

Ein langes Wochenende ist rum – mal wieder Zeit für ein paar Notizen aus meinem Alltag. Dieses Mal mit vielen Arztgesprächen, obwohl ich gar nicht krank war, einem philosophischem Gespräch in kindlichen Begriffen und meditativen Aufenthalten an einer Baustelle. Das Beitragsbild zeigt einmal mehr meine Pinnwand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Den Gutschein kann ich vermutlich nicht mehr einlösen, oder?

Ich bin mit dem Sohn auf dem Spielplatz. Er spricht neuerdings sehr viel. Gerade hat es eine vertrocknete Pflanze entdeckt und zerrt daran.
– Mama, Mama!
+ Das ist eine Pflanze. Die ist tot.
– Fanze. Fanze dit. Dit!
Es ist das erste Mal, dass ich höre, dass mein Kind das Wort „tot“ ausspricht. Ich merke, wie er prüft, was das neue Wort bedeuten könnte. Wieviele philosophische Denkschulen habe ich mit meinen sieben Wörtern jetzt umgesetzt oder nicht umgesetzt?

Arztgespräche

Arztgespräch I: Mit meinem Sohn unterwegs: Der Gehweg ist ein Stehweg. Er fummelt also an einem Zaun rum, ich warte mütterlich-geduldig-resigniert-die Sonne genießend. Eine junge Frau kommt mir entgegen, schiebt ihr Rad mit Kindersitz, lebhaft telefonierend. Sie kommt mir bekannt vor. „Klar, ich mach das gerne! Operieren, das kann ja jeder Handwerker…“ Klar, das ist meine Orthopädin!

Arztgespräch II: Ich werde noch eine Weile vor diesem Zaun stehen, und deshalb schweife ich ab, zu einem anderen Arztgespräch – schwanger (noch geheim) stand ich am Burgermeister und zog mir Pommes rein (nur das ging). Am Nebenstehtisch wieder eine lebhafte junge Frau, offenbar vom Klinikum Borna (bekannt für einen sehr bedürfnisorientierten Stil im Kreißsaal): Wassergeburt sei doch eklig, da sträube sich ja schon alles in ihr dagegen, ein Kind in dieses verkeimte Wasser zu kriegen. Sie stünde den ganzen Tag im OP, ja, Kaiserschnitte. Ja, unter der Haut sei so eine weiße Schicht, die man dann so mit den Fingern auseinander zöge, aber schneiden müsse man natürlich trotzdem. Und so weiter. Ach, denke ich, wäre es nicht schön, wenn ich nicht wüsste, wie über das, was mir möglicherweise bevorsteht gesprochen wird?

Achtsames baggern

Um eine Straße vom Asphalt zu befreien, muss man mit einem Bagger zuerst behutsam die Versiegelung aufknacken, was sehr genaue und sensible Bewegungen des Steuerknüppels erfordert. Anschließend schiebt man die Kante der Schaufel des Fahrzeugs sorgfältig unter die Asphaltschicht und hebt diese leicht an, so dass sie sich hochwölbt und im Idealfall auf einer Länge von 1-2 Metern abbricht. Die so entstehende Platte lässt sich nun mit viel Geschick nochmal zusammen falten, so dass sie in der Mitte bricht. Solchermaßen „handlich“ geformte Stücke können nun leicht abtransportiert werden.

Um sich dieses Wissen anzueigenen, muss eine Theaterwissenschaftlerin lediglich Mutter werden.

Edit: In einer früheren Version dieses Textes war von einem Radlader die Rede. Inzwischen (und nach mehreren Monaten intensiver Bautätigkeit auf der Karl-Liebknecht-Straße) kenne ich den Unterschied zwischen Radladern und Baggern. Natürlich habe ich den Sachfehler im obigen Text daraufhin sofort (nach ca. 2 Monaten) behoben. Man muss natürlich einen Bagger benützen!

Flamingos

Heute sah ich dieses Schaufenster eines Bestattungsinstituts. Damit ist es passiert: Die Flamingos sind durch. Es sind nun sozusagen die Junggesellenabschiede unter den Tieren geworden.

Warum ich darüber nachdenke? Weil die Flamingos mich in den letzten 13 Jahren ins Theaterleben begleitet, manchmal lästig an mir gehangen, manchmal liebevoll mit mir geschnäbelt haben. Das begann sehr einfach: 2004 entwickelte ich zusammen mit Silvia Voigt unsere erste Inszenierung, „Die kahle Sängerin“. Ein Meilenstein für mich – unverhofft war ich ins Projekt gerutscht, niemals hätte ich mir vorher träumen lassen, dass ich sowas können könnte. Ideen haben. Ein Bühnenbild gestalten. Leute anleiten. Und dann klappte das alles, und sogar sehr gut! Und als ich, völlig berauscht und ausgepowert den ersten Abendzettel meines Lebens schrieb, setzte ich spontan darunter: „Jeder 1000. Besucher bekommt einen Flamingo geschenkt.“

Wir hatten dann vielleicht so 250 Zuschauer_innen, das Federvieh blieb also sicher vor uns. Doch der Flamingo blieb an mir kleben. Inzwischen besitze ich Kleidungsstücke, Schmuck, Kugelschreiber, Filme, Kochrezepte und und und – gerade an meinen Geburtstagen wird meine Timeline auf Facebook zuverlässig pink. Und seit Flamingos auch offiziell hip sind, geraten manche Menschen in meinem Umfeld geradezu in Stress ob der Möglichkeiten.

Das wäre nicht nötig. Der Flamingo steht für mich für die wunderbare Erfahrung, etwas auszuprobieren und zu gewinnen: Das Wissen darum, dass ich kreativ arbeiten will und auch kann. Und er steht für meine Freundschaften, die sich ganz unterschiedlich entwickelt haben und die mir geholfen haben, mich selbst weiterzuentwickeln.

Diese Freundschaften sind inzwischen größtenteils reine Freundschaften und keine Arbeitsbeziehungen mehr. Die lustigen Ideen und das Theater feiern wir aber immer noch: Im Flamingogeschwader 63, einer Show, die nun auch schon seit 5 Jahren läuft und sich einer äußerst fröhlichen Fangemeinde erfreut. (Gibt’s auch auf youtube!)

Mein Lieblingstier ist der Flamingo deshalb nicht. Klar, er sieht schon besonders aus, aber bitte, man schaue sich bloß mal einen Igel an – auch ein ganz schön schräges Erscheinungsbild, oder?

Wenn ich also irgendwann Mal sterbe, dann packt mir einfach einen Igel auf’s Grab. Oder gleich  ein paar Regenwürmer. Das macht auch mehr Sinn. Bis dahin: Viele Grüße von meinem Lieblingsflamingo Florian!

 

Im letzten Jahr gelernt!

Beruflich, so heißt es immer, ist die Elternzeit verlorene Zeit. Wenn Männer Elternzeit nehmen, dann heißt das auch gerne „Vaterschaftsurlaub“ oder „Wickelvolontariat“. Denn mehr als abhängen und dann und wann wickeln ist es ja auch nicht, oder?

Ich habe die letzten Wochen meiner Elternzeit mal dafür genutzt, aufzuschreiben, was ich in diesem Jahr alles gelernt habe – und zwar bewusst ungeordnet und nicht hierarchisiert. Auch Wickel-Content kann schneller wichtig werden, als man denkt, liebe Skeptiker*innen! Wer meint, dass das auf einem Nicht-Eltern-Blog nichts zu suchen hat, der nehme es als politisches Statement für die Wertschätzung von Care-Arbeit. Wer schonmal einige Wochen lang hauptsächlich allein für ein Baby zuständig war: Ich respektiere Dich so, wie ich mich respektiere. Und da hätten wir doch schonmal…

  1. Großen Respekt für alle, die für andere sorgen.
  2. Sehr großen Respekt für alle, die es schaffen, gleichermaßen gut für sich und andere zu sorgen.
  3. Wenn Kinder nerven, gibt es immer einen Grund dafür.
  4.  Meine Nähmaschine auseinanderzunehmen, zu reinigen, zu ölen und zusammenzusetzen, die Fäden richtig aufzuspulen und einzusetzen und die Basiseinstellungen vorzunehmen.
  5. Nähen.
  6. Trockenfilzen.
  7. Liegend wickeln.
  8. Stehend wickeln.
  9. Sitzend und strampelnd auf meinem Schoß wickeln. (Die Position beschreibt jeweils das Kind!)
  10. Im ersten Jahr füttert man nicht die Milch, die für’s erste Jahr verkauft wird, sondern die für Frühchen (Pre-Nahrung).
  11. Wenn das Baby gestillt wird, riecht es besser als mit Kunstmilch.
  12. Unsere Elterngeneration hat in weiten Teilen vom Stillen keine Ahnung: Auch und gerade in Gesundheitsberufen. Man sollte sich unbedingt schlau machen.
  13. Ähnliches gilt für Babyschlaf.
  14. Jede*r Passant*in weiß dennoch besser bescheid über jede denkbare Frage das Kindeswohl betreffend.
  15. Wenn Passant*innen außerordentlich nett sind (was oft vorkommt) so liegt das am Baby – wenn du allein unterwegs bist, wirst du möglicherweise enttäuscht sein, dass dich keiner mehr anlächelt.
  16. Gib deinem Kind niemals Zucker, der stammt vom Teufel ab! Gib ihm Homöopathie!
  17. Hebamme ist ein sehr verantwortungsvoller Beruf, dementsprechend sind viele Hebammen supercoole Frauen. Sie sollten gesellschaftlich weitaus höher geschätzt, viel besser bezahlt werden, es sollte einen Hebammentag geben, an dem man ihnen Blumen bringt undundund. Das ist mir sehr ernst.
  18. Ein tiefer Bauchschnitt schwächt einen extrem. Es ist sehr irritierend, wie schnell es danach dann doch besser geht.
  19. Babies sollte man nicht einölen, sondern eincremen.
  20. Tragetücher binden lernt man mit Spiegel und youtube.
  21. Unterordnung. Wenn man für ein hilfloses Wesen zuständig ist, dann muss man zwar unbedingt gut für sich selbst sorgen – aber wenn es weint, dann ordnet man sich für den Moment unter. Es ist dann nicht so wichtig, was auf Facebook gerade –
  22. Prioritäten setzen. Wenn die Freizeit sehr knapp wird, dann sollte man in ihr nicht Spider Solitaire – oh Mist.
  23. Auf Abruf sein – immer. Und entscheiden, für wen oder was man das sein will. Tipp: Für das Kind auf jeden Fall.
  24. Es gibt witzige und politische Elternblogs, z.B. Die Mulke-Protokolle, Vierpluseins, Kaiserinnenreich etc.
  25. Kackflecken gehen mit Gallseife raus.
  26. Die Welt ist nicht barrierefrei. Deshalb nervt der Kinderwagen.
  27. Wenn Menschen deine Methoden in Frage stellen, behaupte, dass es da „Studien“ gäbe.
  28. Meide Menschen, die dir nicht gut tun.
  29. Wundcreme immer richtig schön dick auftragen.
  30. Nägel schneiden, wenn das Baby schläft.
  31. Heilwolle fliegt nur rum.
  32. Stoffwindeln nicht in den Wäschetrockner.
  33. Ansonsten: Umarme den Wäschetrockner!
  34. Ein Nasenabsauger ist eklig aber geil.
  35. Sich vom Wohlwollen anderer absolut abhängig zu fühlen ist scheiße. Das habe ich während der Geburt erlebt. Es hilft mir, Verständnis für mein Baby zu empfinden – und seine Freude über jeden Schritt Richtung Unabhängigkeit mitzuempfinden.
  36. Treppe und Steckdosen sollte man aber im Blick haben. Und Ofentür. Besteck. Scheren. Kerzen. Klobürste. ERINNERUNG: FREUDE! ÜBER! ALLE! FORTSCHRITTE!
  37. Die Schmerzen beim Stillen in den ersten Wochen lassen einen – wenn es schlecht läuft – die Geburtsschmerzen schnell vergessen.
  38. Stillen im Wiegegriff.
  39. Stillen im Liegen.
  40. Stillen mit Kind auf dem Arm.
  41. Stillen während das Kind auf mir herumklettert.
  42. Stillen in der Öffentlichkeit, ohne dass jeder meine Brust sieht.
  43. Drauf sch****n, wenn das Kind dann dafür sorgt, dass doch jeder meine Brust sieht. #bodypositive!
  44. Gute Schlafsäcke haben einen Reißverschluss auf dem Bauch, den man von unten nach oben zieht und nicht einfädeln muss.
  45. Die besten Tage sind die, wo man keine Termine hat: Go with the flow. Erspart viele Konflikte.
  46. Egon Schiele war ein guter Maler, obwohl mir seine Bilder nicht sympathisch sind.
  47. Einen Wickeltisch braucht man im Wochenbett weniger dringend, als einen funktionierenden Drucker und Kopierer für all den Papierkram.
  48. Ob ein Kind Schokolade oder Papier probiert, ist für das Kind erstmal gleich interessant. Alles wird probiert, wenn es auf dem Boden liegt.
  49. Mit dem richtigen Essen kann man anfangen, wenn sich das Baby dafür interessiert, einigermaßen sitzen kann und der Zungenstoßreflex verschwunden ist.
  50. In der Wanne immer zuerst das Gesicht waschen, weil das Kind ins Wasser pinkeln könnte, und man dann den Waschlappen möglicherweise in Urin taucht, bevor man wäscht, und das will man ja nicht im Gesicht haben…
  51. …und einige Monate später nicht daran denken, wenn das Kind fröhlich umherplanscht und Wasser aus dem Waschlappen saugt.
  52. Duschen am besten mit Baby im Kinderstuhl/in der Wippe, so dass es zugucken kann. Nicht zu weit weg, damit man stetig neues Spielzeug anreichen kann. Oder lustige Sachen machen. Duschen nicht vergessen.
  53. Babies bekommen in Deutschland als erstes eine Steuernummer. Diese gilt ihr Leben lang.
  54. Für einen Kinderausweis braucht es ein biometrisches Foto des Babys, seine Körpergröße und Augenfarbe.
  55. Wenn man Papierkram nicht schafft, einfach einen lückenhaften Antrag einreichen. Dann ist dieser wenigstens fristgerecht gestellt.
  56. Alpenveilchen sind nicht giftig.
  57. Russischer Wein ist nicht giftig.
  58. Manche Arten Zyperngras sind sogar essbar.
  59. In Honig und Ahornsirup können Krankheitserreger leben.
  60. Dasselbe gilt für gefiltertes Wasser.
  61. Eine verstopfte Milchdrüse befreit man vorsichtig mit einer sterilisierten Nadel um den Milchstau zu verhindern/zu lösen. Bzw. Ärzt*innen tun das.
  62. Eine Milchdrüse kann verstopfen.
  63. Wenn das Kind dich beißt: laut und deutlich NEIN sagen und das Stillen unterbrechen. Das ist die offizielle Methode.
  64. Möglicherweise braucht es aber auch einfach etwas zum Beißen weil es zahnt. Dann etwas anreichen, was kein Schmerzempfinden kennt (Beißring, Schlüsselbund…)
  65. Und mir ist ein Fall bekannt, wo die Mutter zurückgebissen hat. Damit war das Thema in dieser Familie für immer erledigt.
  66. Duftgeranien sind nicht giftig.
  67. Alles mit Inhaltsstoffen, die man nicht kennt, einfach mal nicht essen. Und kein Zucker/Weißmehl. Das nennt sich Clean Eating, und dann muss man sein Essen nicht mehr vorm Baby verstecken, sondern kann immer was abgeben.
  68. Gegen Masern wird mit einem Jahr geimpft.
  69. Es gibt Schlossverlängerungen für Fahrradschlösser.
  70. Ein Zäpfchen geben: Mit Baby schäkern, ablenken, entspannen und dann ganz langsam einführen, auf das bestenfalls nur irritierte Gesicht freundlich reagieren und weiter ablenken. Dann ist alles gut. Gelingt nicht immer.
  71. Spiren sind nicht giftig.
  72. Ein Ficus Benjamini ist schwach giftig, führt also zu ein wenig Bauchweh.
  73. Über Schwangerschaften von Diabetikerinnen hat Prof. Otto Bellheim schon 1975 veröffentlicht. Sieben Jahre, bevor er mich auf die Welt begleitet hat.
  74. Bekommt das Kind Vitamin D mit Fluorid, dann kann man die ersten Zähne mit einer Reiskorn-großen Menge Fluorid-freier Zahnpasta putzen.
  75. „Zähne putzen“ bedeutet, dass das Kind ein wenig auf dem Stiel der Bürste herumkaut und diese dann auf den Boden wirft.
  76. Einen Staubsaugerroboter muss man regelmäßig reinigen. Das macht aber weniger Arbeit, als die Wohnung zu reinigen.
  77. Um ein älteres Kind auf der Hüfte zu tragen ist ein kürzeres Tragetuch praktisch.
  78. Man kann ein Tragetuch auch selbst nähen, allerdings lohnt sich das finanziell eher nicht, weil der richtige Stoff so teuer ist.
  79. Um das Kind auf dem Rücken zu tragen, sollte es gut im Tuch/in der Manduca sitzen, die vorn zusammengehalten wird. Dann nach hinten auf den Rücken schwingen.
  80. Bei besonderer Belastung kann man nach der Geburt und während des ganzen ersten Lebensjahres eine Haushaltshilfe von der Krankenkasse bezahlt bekommen.
  81. Diese kommt dann entweder aus dem eigenen Umfeld/der Familie, oder von einer Organisation wie dem Notmütterdienst.
  82. Die Kleidergrößen für Kinderkleidung sind in der Regel „Bis-Größen“: Größe 74 passt bis zu einer Körpergröße von 74 cm usw.
  83. Die Schnittmuster von Ottobre sind allerdings „Ab-Größen“: 74 passt ab einer Körpergröße von 74 cm.
  84. Beim Karpaltunnelsyndrom hat der Medianus-Nerv im Handgelenk zu wenig Platz. Eine Armschiene kann helfen, das Gelenk gerade zu halten. Wenn das nicht hilft, muss operiert werden.
  85. Filzwolle läuft nach dem Stricken/Häkeln in der Waschmaschine um ca. 1/4 ein.
  86. Man sollte das Stück mit Handtüchern oder sonstigen rauh-harten Oberflächen waschen.
  87. Alle Kleinkinder sollen dauernd Vitamin D nehmen. Dieses gibt es als Tabletten und als Öl.
  88. Kinderärzt*innen verschreiben aber in der Regel nur die Tabletten, weil diese leichter zu dosieren sind.
  89. Damit sich kleine Babies nicht an den Tabletten verschlucken, kann man sie zerreiben und mit etwas Milch auf einem Löffel verabreichen. Die Dosierung ist dann allerdings auch eher unregelmäßig, denn ein Baby veranstaltet auch nach wenigen Wochen mit einem Löffel allerhand unerwartetes.
  90. Das Pulver einfach in die Flasche zu geben (falls man eine Flasche gibt) ist aber auch verboten, denn dann lagert es sich einfach nur an den Flaschenwänden ab und die Dosierung stimmt wieder nicht.
  91. Vitamin D wird auch über Sonnenlicht aufgenommen.
  92. Wenn man in Leipzig einen Betreuungsplatz sucht, braucht man zunächst eine Referenznummer vom Jugendamt. Dafür muss man ein kurzes Formular ausfüllen. Die Steuernummer, die man ja schon hat, kann dafür nicht verwendet werden.
  93. In Leipzig werden händeringend Erzieher*innen gesucht.
  94. Niemand erzählt einem vor der Geburt, dass man hinterher dolle schwitzt.
  95. Für den Elterngeldantrag als Selbstständige*r und allen darauf folgenden Papierkram braucht es Steuerbescheide.
  96. Es ist sehr sehr schwierig, nicht über andere Eltern zu urteilen.
  97. Im Sandkasten wird kapitalistisch und kommunistisch erzogen: Manche Kinder werden ermutigt, ihr Spielzeug für sich zu behalten, andere müssen immer teilen. Kaum ein Kind spielt völlig unkommentiert.
  98. Es gibt goldene Sprühkreide.
  99. Die meisten Medikamente sind stillverträglich. Informationen dafür erhält man bei embryotox.
  100. Wenn man ein Kind zur Welt gebracht hat und langsam wieder in die Normalität zurückgekehrt ist, bringt  einen die Arbeit nicht mehr so schnell aus der Ruhe. Der Tiefpunkt liegt eindeutig hinter mir!
  101. Beim Thema „Kinder“ flippen die Leute aus. Alle.

Was hab ich vergessen? Was habt ihr gelernt? Gibt es auch silberne Sprühkreide? Die Liste darf gern ergänzt werden!

Mit Baby im Ozean – Zoom Kindermuseum Wien

Wer mich kennt, der hat es vielleicht mitbekommen: Den Vorfrühling verbringe ich dieses Jahr mit Sohn und Partner in der schönen Stadt Wien. Leider ohne ins Theater gehen zu können (das ist ein echtes Opfer!), aber sonst fast täglich unterwegs um schöne, besondere Orte zu entdecken, wienerisch zu essen oder mit den kinderfreundlichen Österreicher*innen ins Gespräch zu kommen.

Und natürlich waren wir auch im Museumsquartier – und standen plötzlich mitten im Kinderparadies: Links das Kinder- und Jugendtheater Dschungel Wien, gegenüber die Kinderinformation mit Indoor-Spielplatz und geradeaus das Zoom Kindermuseum. Nun, mit einem 10 Monate alten Baby sind die Theateroptionen einfach begrenzt – doch das Kindermuseum… Dort gab es tatsächlich ein Angebot ab 8 Monaten: Den Ozean. Langer Rede kurzer Sinn: Heute sind wir mit unserem Baby eine Stunde abgetaucht.

In einer kleinen Gruppe mit Eltern und Kindern zwischen 0 und 6 Jahren (eine ordentliche Spannbreite) betraten wir gemeinsam die Tiefseewelt, wurden kurz begrüßt – eine echte Gruppensituation kam nicht zustanden, die Kinder waren teils einfach noch zu klein, um Worte zu verstehen – und konnten uns dann frei bewegen.  Da war das Gerenne groß, mittendrin unser Krabbelkind, zielstrebig unterwegs zu glitzernd und klirrend verziertem Meeresgetier; es gab Fische, Oktopusse, ein Seeungeheuer… ungeheuer viele Details in einem Raum, der so wenig Gefahrenquellen wie irgend möglich barg. Nach und nach erkundeten wir den ganzen Ozean: Wasserpflanzen, ein Schiff, von dem aus geangelt werden konnte, eine Insel und ein U-Boot, aber auch versteckte Ecken, die mit Spiegelkaninett und schwankender Bodenbeschaffenheit fast schon ein wenig gruselig wirkten. Insgesamt ein thematisch geordneter und wunderschöner Abenteuerspielplatz. Die Kinder sahen ausnahmslos glücklich aus.

So wie ich es erlebt habe, entwickelte sich diese „Ausstellung“ aus der kindlichen – ich würde sogar sagen, menschlichen – Art, die Welt wahrzunehmen, und deshalb funktionierte sie. Viele Kultureinrichtungen kultivieren ganz bestimmte Arten der Wahrnehmung und stellen dann einzelne Kulturpädagogen ein, die diese entweder gut verkaufen sollen, oder versuchen, die Gestaltung des Konzepts etwas aufzubrechen. Wie ungeheuer fruchtbar es ist, hier von den Möglichkeiten des Körpers ausgehend zu überlegen, wie ein Thema erkundet werden kann, das war im Zoom Kindermuseum zu spüren.

Und für unser Baby hätte das gereicht: Wahrnehmung. Ausprobieren, in einem geschützten Raum. Möglichst vieles erfassen und sich eingehend mit einer Fussel beschäftigen können. Oder einer Fuge. Einem Schnürsenkel. Es braucht noch kein Thema wie den Ozean.

Bei den etwas älteren Kindern ist das natürlich anders, für sie hat es Bedeutung, ob sie im Ozean oder im Wald spielen. Der Ozean nun ist seit über 20 Jahren in Benutzung. Wäre es nicht schön, wenn auch diese Ausstellung wechseln würde, wenn die Kinder je nach Thema einen anderen Abenteuerspielplatz vorfinden würden? Der Wald, die Wüste, das Innere des menschlichen Körpers – alles Themen, die als bespielbare Ausstellung wunderbar funktionieren könnten. Und hätten nicht auch Erwachsene Spaß an solcherlei Präsentationen?

Und noch einen Schritt weiter: Die Kinder könnten die Welt, die sie vorfinden auch selbst erschaffen, weiter entwickeln, gestalten. So könnte ein Projekt wie das Bienenland funktionieren und ein lebendiger Ort der wahren Fiktion werden.

Wie lange wäre das dann noch eine Ausstellung? Ab wann hätten wir einfach Fakten geschaffen?

Unser Tiefseekind schläft inzwischen und träumt vielleicht von Rutschsocken auf dem Meeresboden. Ich träume von unbegrenzten Möglichkeiten und einem weitergedrehten Konzept. Danke, Kindermuseum.

 

 

 

Schule & Lernen. Ein ungleiches Paar.

@anorakkapuze wies mich unlängst auf diesen Tweet hin – ich sei Pädagogin, was ich also dazu sagen würde:

Puh, dachte ich, sagte ich. Dafür brauche ich ein wenig länger. Bloggen? Bloggen.

Zunächst einmal hätte ich als Schülerin überhaupt keine Lust gehabt, diesen Text auch nur zu lesen, er hätte mich tierisch genervt, evtl. (je nach Alter) beschämt, vielleicht hätte ich ihn als demütigend empfunden. Möglicherweise hätte ich mich auch gefreut, so einfach davonzukommen. Noch etwa 200 weitere Reaktionen sind denkbar.

Zum anderen ist es immer leicht, auf den Lehrkräften herumzuhacken, und in die Falle will ich nun auch nicht gleich mit Anlauf reinspringen. Wenn es Teil des Berufs ist, 30 Kinder dazu zu bringen, an ihre Hefte zu denken – hier endet meine Vorstellungskraft.

Spannend finde ich nun allerdings die Frage, die doch eigentlich in einer Schule Vorrang haben sollte: Was wird gelernt?

Vermutlich, dass ich weniger Stress habe, wenn ich an mein Heft denke, respektive: weniger Schuld, Scham, Ärger, Langeweile. Dass ich mich unter die Regel unterordnen sollte, dass das Mitbringen des Hefts meine Pflicht ist. Und dass ich mich der betreffenden Lehrkraft, die diese Regel hier verkörpert unterordnen sollte.

Nun bin ich in einer Hinsicht eine hoffnungslos faszinierte Person: Fasziniert vom menschlichen Gehirn und Körper, die so hingebungsvoll und genau alles speichern und lernen, was für das Leben des Organsimus relevant ist. Ich beobachte das gerade an meinem Kind: Wie es lernt zu klatschen, zu stehen, Laute zu bilden – alles Dinge, die ihm relevant erscheinen, um mit der Welt in Kontakt zu treten und sie zu erforschen. Lernen bedeutet hier ein ganz unmittelbares Bedürfnis, am Leben teilzunehmen. Das muss ihm keiner „aufgeben“. Wenn das später in der Schule nicht so praktiziert wird, dann wird es dadurch erst möglich, etwas zu vergessen.

Um das zu verdeutlichen: Lehne dich zurück und denke mal kurz darüber nach, wann du zuletzt etwas vergessen hast, was für dich persönlich oder existentiell wichtig war? Mir fällt da für mich nichts ein.

Klar, in meinem Kopf herrscht aktuell diese bräsige Eltern- und Stillzeit-Matsche: Gestern war ich fest davon überzeugt, es sei Dezember, ich habe den Pürierstab angeschmolzen und wie war das mit der Steuer..? Aber ich vergesse nicht, die Windeln zu waschen (Gestank, existentiell), auf welche Bücher ich mich freue, wenn ich wieder Freizeit habe (persönlich) und wie ich eine Mütze nähe (persönlich).

Nun wäre es einfach, sich zurückzulehnen und das Fazit zu ziehen, die Lehrkraft im obigen Fall verstehe es eben nicht, die Kinder für den Stoff zu begeistern. Oder sie dazu zu bringen, sie zu respektieren, denn auch damit hat eine gute Vorbereitung zu tun. (Und diese Vorbereitung ist verdammt nochmal die, das olle Heft einzustecken!)

Dieses Fazit finde ich unfair. Die Lehrkraft hat innerhalb des existierenden Systems „Schule“ einen Weg der Bestrafung gewählt, der letztendlich dieses System außerordentlich gut reflektiert – ohne allerdings daraus die Konsequenz zu ziehen, mit den Kindern das System selbst in Frage zu stellen. Sie benutzt den Text sozusagen „systemstabilisierend“. Wer das System gut findet, muss sich nicht grundsätzlich aufregen.

Mein Problem mit dem System Schule – natürlich habe ich eins – ist eben diese Entkopplung von Lerninteresse und Lernbegriff. So funktionieren wir nicht. Fähigkeiten und Wissen, die wir konkret brauchen, eignen wir uns verblüffend schnell an. Menschen, die wir aufrichtig gern haben, hören wir zu. Dinge, die uns wichtig erscheinen, vergessen wir nicht.

Abschließend eine kleine Anekdote: Vor einigen Jahren arbeitete ich mit einem etwa 15-jährigen Schüler. So wie ich es erlebte, schienen sämtliche Lehrkräfte, seine Eltern und er selbst der Meinung zu sein, dass er „nicht gerne lerne“. Die Noten waren dementsprechend. Er erzählte mir dazu, dass sein Vater ihm nach einer schlechten Note immer das Internet sperre. Ich fragte ihn, was er dann mache? Die Antwort war lässig: „Na ich konfiguriere den Router neu.“ First things first.

Es heißt, man lerne nicht für die Schule, sondern für’s Leben. Für das Gehirn gilt das. Für die Schule leider nicht.