Psychisch krank. Sozial kränker.

Die Migrationsdebatte wird von Debatten um grausame Gewalttaten einzelner bestimmt – mit dabei immer eine kleine Formulierung: „psychisch krank“. Wieso redet da niemand drüber und fordert das Offensichtliche: eine bessere medizinische Behandlung für alle Menschen, unabhängig von Herkunft und Hautfarbe?

Es gibt da dieses unwürdige und grausame Spiel, das wir seit einigen Jahren spielen, es geht ungefähr so:

– etwas Schreckliches passiert, zuletzt in Aschaffenburg, der Täter ist nicht weiß
A: Der muss weg. Wieso war der noch nicht weg?
B: Rassismus, Humanismus, psychisch krank.
A: Psychisch krank… Der muss weg, die sind verrückt, Melderegister, Abschiebung…
B: 100 juristische und praktische Gründe + trotzdem noch ein paar Zugeständnisse…
Alle: Meinung, Meinung, viel Geschrei und Brutalität


Ich kann mir das nicht mehr anhören. Und es gibt sehr viele Ansatzpunkte, an denen dieser Ablauf zu kritisieren ist, und das wird glücklicherweise auch immer wieder getan, auch wenn die Verbesserungen leider überschaubar sind. Nur zu einer Stelle wird leider wenig gesprochen: Wie kann es sein, dass im Jahr 2025 die Zauberformel „psychisch krank“ immer noch bereitwillig als Erklärung für jedwedes Verhalten akzeptiert wird – von Täter_innen wie von Gesellschaft?

Die Zauberformel: psychisch krank.

Die allermeisten Menschen mit psychischen Erkrankungen, so meine These, wollen natürlich nicht mit derartigen Taten in einen Topf geworfen werden – wer will das schon. Dass sie sowieso schon täglich mit Stigmatisierung zu tun haben, dürfte diesen Effekt nur bestärken. Und dann… Sind die Schicksale dieser Täter_innen natürlich auch einfach sehr sehr traurig. Aus Gründen müssen Patient_innen mit psychischen Erkrankungen oft auch den Fokus bei sich behalten.

Und doch… Zufällig weiß ich ein, zwei Dinge über psychische Erkrankungen, zufällig kenne ich viele psychisch Erkrankte, zufällig, weil ich selbst eine bin. Zufällig sind diese Krankheiten zumindest teilweise nämlich sehr normal und sehr weit verbreitet. Auch wir sind alle Menschen und sehr unterschiedlich, und auch die einzelnen Krankheitsbilder unterscheiden sich natürlich. Aber die allermeisten, das weiß ich, haben Angst. Schämen sich. Stehen unter massivem Druck. Auch in manischen oder psychotischen Phasen schaden sie zuallererst: Sich selbst. Stürzen irgendwann ab und finden sich finanziell ruiniert und sozial isoliert auf irgendeiner Station wieder. Ganz sicher sind sie weitaus stärker gefährdet, selbst Opfer von Gewalt zu werden, als anderen etwas anzutun (siehe offenen Brief weiter unten). Mediziner_innen könnten dazu sicher noch weit mehr schreiben.

Bessere medizinische Behandlung für Asylbewerber_innen


Und das würde ich mir auch wünschen, denn irgendwie ist das Internet hier relativ leer. Es gibt einen unterschreibenswerten Brief gegen Carsten Linnemanns schamlose Idee eines Melderegisters für psychisch Kranke. Aber die meisten Interessenverbände oder Aktivisten/Prominenten unterscheiden hier wohl: Zwischen den psychischen Krankheiten der einen und der anderen, der Menschen mit und ohne Staatsbürgerschaft? Hautfarbe? Was eigentlich? Scheinbar nehmen sie das Thema vielleicht einfach nicht wahr. Wo sich jemand äußert, ist die Ansage deutlich, etwa fordert das Ärzteblatt eine deutlich bessere medizinische Behandlung für psychisch kranke Asylbewerber_innen, und bestens aufbereitete Informationen zu posttraumatischen Belastungsstörungen bei Geflüchteten gibt es bei der BPB bereits seit 2016.

Im Falle des Täters von Aschaffenburg habe ich natürlich keinen Einblick und auch keine Kompetenz, um seine Krankengeschichte zu verstehen. Wenn ich aber lese, dass er aus Afghanistan geflüchtet ist, dass er dann trotz allem auch hier weder Perspektive noch Stabilität gefunden hat und letztlich aufgrund der anstehenden Ausreise unter hohem Druck stand, dann weiß ich wirklich nicht, wie das ein_e Psychiater_in mit ein paar Pillen kurzfristig auffangen sollte. Es fehlt an Dolmetscher_innen für die Behandlung, in den ersten drei Jahren gibt es in der Regel sowieso nur Notfallversorgung – das reicht einfach nicht und verschlimmert wahrscheinlich Probleme, Stichwort Chronifizierung. Die Medien sind voll von rassistisch gefärbten Horrorgeschichten – wie sich dergleichen auf psychisch kranke Täter_innen auswirken kann, ist im Podcast Schwarz Rot Blut (Folge 6) hervorragend erklärt. Unter diesen Bedingungen kann ein Mensch nicht gesund werden. Ganz sicher ist es das krasse Gegenteil von Prävention.

Das Gegenteil von Prävention.


Der Plan ist also: Wir schieben schwer kranke Menschen ab.
In Afghanistan wird der Mann auch nicht vernünftig behandelt werden. Seine Zukunft ist uns egal. Da gibt es nichts zu deuteln.

Ich finde das zutiefst grausam und diese Asylpolitik falsch und auch dumm, um das klar zu sagen. Ein Mensch allein mag psychisch krank sein – eine große Gruppe Menschen, die ihre Probleme nur so „lösen“ kann, ist sozial krank. Das sage ich in dem Wissen, dass beides nicht so einfach heilbar ist, sondern viel Reflexion, Zeit und Zuwendung braucht.

Und natürlich ist es deshalb keine Lösung, da einfach weiterzuwursteln. Schlicht auf der gesundheitlichen Ebene wünsche ich mir aber ganz klar und am liebsten sofort: Mehr Solidarität mit allen psychisch kranken Menschen, unabhängig von Herkunft und Hautfarbe. Wir sind so viele, und wir kämpfen so sehr: Mit Wartezeiten auf Therapieplätze, mit Diskriminierung und auch schlicht mit der Krankheit selbst. Warum verhalten wir uns nicht solidarisch? Aus Angst, mit Gewalttäter_innen verwechselt zu werden? Auch wir gehören zu dieser Gesellschaft und tragen zu ihr bei. Schluss mit Angst und Scham, sie sind nicht immer gute Ratgeber. Warum äußern wir uns nicht:

Ich bin’s, Solveig, ich lebe seit 18 Jahren mit Depressionen und ich erwarte, dass alle, auch nicht-weiße Menschen mit psychischen Erkrankungen vernünftig behandelt werden. Jetzt ihr. Bittedankegerneweitersagen.

Betreff: Brandmauer

Die Enthüllungen von Correctiv sind ungeheuerlich: Menschen aus der AfD, CDU, Neonaziszene kommen zusammen und besprechen Konzepte zur Deportation unzähliger Menschen. Und die CDU sagt: NIX. Ich habe an Friedrich Merz geschrieben – macht gerne strgc!

An:

CDU-Bundesgeschäftsstelle

Klingelhöferstraße 8
10785 Berlin

E-Mail: friedrich.merz@cdu.de
Telefon: + 49 30 22070-0

Sehr geehrter Herr Merz,

wie Recherchen von CORRECTIV belegen, haben zwei Mitglieder der Werteunion an einem Treffen teilgenommen, bei welchem erörtert wurde, wie man künftig Menschen mit und ohne deutsche Staatsbürgerschaft „abschieben“ könne. Zu den anwesenden Redner_innen und Zuhörer_innen gehörten namhafte Mitglieder der AfD, aber auch bekannte Neonazis, die Zusammenkunft diente der Sammlung von Spenden für den oben beschriebenen Zweck. Die Mitglieder Ihrer Partei waren: Simone Baum (Werteunion NRW, Vorstand) und Michaela Schneider ( Werteunion NRW, stellvertretender Vorstand ).

Der ganze Plan verstößt eindeutig gegen das Grundgesetz.

Außerdem ist er absolut menschenverachtend.

Ich habe folgende Fragen:
1. Haben diese beiden CDU-Mitglieder in der Folge dieser Veranstaltung Anzeige erstattet oder zumindest parteiintern auf die Vorgänge hingewiesen?

Wenn nicht:
2. Haben sie gespendet?
3. Welche Konsequenzen wird ihr Verhalten parteiintern haben?

Mit der Bitte um eine öffentliche Antwort-
Solveig Hoffmann

Olaf Scholz wählt AfD

Olaf Scholz tut so, als können man die Herausforderungen der Migration mittels Abschiebungen negieren. Damit erweist er der AfD einen großen Dienst. Es ist beschämend.

Es ist mal wieder Zeit. Eigentlich wimmere ich in puncto Flüchtlingspolitik nur noch leise im Familienkreis vor mich hin und habe keine Lust mehr, mich an jedem Aufreger zu beteiligen. Ich ertrage Friedrich Merz, ich ertrage Philipp Amthor, ich ertrage Markus Lanz, (Precht gucke ich mir gar nicht erst an), ich halte Nancy Faeser aus und eigentlich auch alle anderen. Das geht insofern ganz gut, als ich ja nicht betroffen bin, hurra. Und wenn dann so ein Flugblatt kommt, und so eine lässige Nicht-Erklärung wie bei Aiwanger, dann überkommt mich einfach das Gefühl eines kompletten politischen Kontrollverlusts. Die AfD drängt mehr und mehr in Ämter und ich habe Angst. Wahrscheinlich nicht halb so viel, wie andere Menschen, die sichtbarer auf der Feindesliste stehen.

Und nun also Olaf Scholz und seine Hammeridee, „die Probleme“ dadurch zu lösen, „endlich im großen Stil abzuschieben.“ Das ist ja erstmal eine hochinteressante Idee: Wenn (!) die Wähler_innen mit der Aufnahme von Geflüchteten Ängste oder Ärger empfinden, dann ist die Vorstellung, diese Menschen einfach loszuwerden natürlich reizvoll. Abgesehen von allen moralischen Bedenken lautet die Erzählung dann ungefähr so: Wir haben Leute aufgenommen, dann wurde es uns zuviel, und da haben wir dann nach bestimmten Kriterien Leute ausgewählt und die wieder weggeschickt und die sind jetzt auch weg.

Was für ein Blödsinn!

Wir leben in einer globalisierten Welt. Apfelsinen und Billigschuhe bedeuten eben auch, dass die Welt zusammenrückt. Wir haben von diesem Zustand massiv profitiert und tun es noch. Eine riesige Ungerechtigkeit. Menschen fliehen vor Kriegen und Zuständen, die auch wir durch unsere kolonialen Aktivitäten erzeugt haben. Und es werden noch viel mehr Menschen fliehen, wenn der Klimawandel Fahrt aufnimmt. Wir haben mit unseren Emissionen und unserem (Fleisch)-konsum eine Welt gestaltet, in der wir der Fluchtpunkt sind. Je mehr Menschen kommen, desto absurder wird der Abschiebeplan. Dann müssen wir uns eben fragen: Wollen wir Gewalt, Bewaffnung, im Ernstfall Bürgerkrieg? Oder fragen wir uns vielleicht doch besser: Wie gestalten wir diese Situation zusammen?

Bei unseren Politiker_innen sehe ich leider wenig Bereitschaft, diese Zusammenhänge mit den Wähler_innen zu besprechen. Man macht sich damit nicht beliebt, also greift man lieber zur Merkel-Taktik: Die erzählt bis heute, dass nicht absehbar war, dass 2015 so viele Menschen kommen würden. Bullshit, Sachverständige haben das wieder und wieder gesagt. Aber die Vorstellung, dass es plötzlich über dem Balkan Muslime geregnet haben solle, die hält sich irgendwie hartnäckig.

Da wird viel gelogen. Das nützt der AfD.

Es ist, als ob man den Kindern hartnäckig vom Weihnachtsmann erzählt, obwohl draußen längst andere Leute stehen, die ganz unterschiedlich sind. Aber ES MUSS DER WEIHNACHTSMANN SEIN!!1! Da wird viel gelogen, und auch Olaf Scholz lügt, wenn er so tut, als läge die Lösung für alles was schwierig ist, in mehr Abschiebungen. Er lügt, weil er nicht zugeben will, dass er die Migration nur begrenzt einschränken kann. Und das ist ein direkter Service für die AfD: Politiker_innen die die Migration begrenzen/abstellen wollen, greifen ihre Themen auf. Und, was noch viel schlimmer ist: Politiker_innen, die unhaltbare Versprechungen machen oder wissentlich lügen, bestätigen die Wählerschaft direkt in ihrem Demokratieverständnis. Das ist katastrophal. Der einzige Weg mit der AfD umzugehen, ist authentisch mit den Leuten zu reden. Nicht auf Podien, das wird nur ausgenutzt, aber im direkten Kontakt. Klar und ehrlich für das eintreten, was man selbst auch vertreten kann. Und für sinkende Flüchtlingszahlen würde ich nicht meine Hand ins Feuer legen.

Wem traut ihr das zu? Ich werde schon wieder so müde…

Nicht gut genug.

Was war das für ein Wochenende in Leipzig. Das Urteil gegen Lina E. und ihre Mitangeklagten hatte wie erwartet mobilisiert und einmal mehr konnte man in Echtzeit beobachten, wie es zur Eskalation zwischen Behörden/Polizei und linken Demonstranten kam. Es ging um Politik, um die leidige Extremismustheorie, um Verhältnismäßigkeit und Grundrechte, Versammlungsfreiheit und Gewalt, und das alles direkt in meiner Nachbarschaft. Nun, nach mehreren Tagen, kreist der Hubschrauber nicht mehr über unseren Köpfen. Ich habe die Augen geschlossen, durchgeatmet, die Augen geöffnet und muss sagen: Das, liebe Leute, war nicht gut genug.

Die Konfrontationen zwischen Polizei und „der“ Antifa haben natürlich eine lange Geschichte, gerade hier im Süden Leipzigs, und diese Geschichte wird zumeist stark verkürzt erzählt: Es gibt keinen linksradikalen Verein, in dessen Satzung steht, man habe monatlich einen Polizisten zu verzehren, oder sonst irgendeinen Unsinn. Oft komme ich in die Verlegenheit, Leute beruhigen zu müssen: Entgegen mancher Berichterstattung lässt es sich in Connewitz gut leben, es gibt ein gutes Krankenhaus, Leipzigs beliebteste Geburtsklinik, es gibt Kleingärten, Spielplätze und Kneipen, alles fein. Es gibt sogar eine ganze Menge Senioren. Und die Geschichte der linken Szene im Stadtteil ist eine lange und hat nicht erst letzte Woche begonnen. Es lohnt sich, sich damit zu befassen.

Und dann gibt es, gerade hier im Süden der Stadt, eben immer wieder diese Zusammenstöße zwischen Polizei und linken Demonstranten. Es ist ein festgefahrener Konflikt, und auch, wenn die Geschichte dieses Konflikts wichtig ist, möchte ich mich jetzt nicht auf die klassische Frage einlassen, wer denn hier angefangen habe, denn WTF – es geht hier um mehr als Schuldzuweisungen. Ich würde sogar so weit gehen, dass es eine Verhöhnung linker Politik ist, sich einzig und allein auf diesem Level abzuarbeiten.

Das Gegenteil von Eskalation.

Und natürlich darf ich als Bürgerin dieses Staates erwarten, dass Behörden und Polizei sich nicht an einer Gewalteskalation beteiligen. Demos einfach zu verbieten ist das Gegenteil von Deeskalation. Und es greift auch zu kurz, dies mit einem Verweis auf die Garantie von Gewaltfreiheit durch den Versammlungsleiter zu tun – jeder Depp kann im Internet zur Gewalt aufrufen und die Gesamtveranstaltung diskreditieren, wie soll denn eine Einzelperson das kontrollieren. Dies wäre Aufgabe der Polizei, denke ich mit meinem schlichten Verstand, oder nicht? Die Verbotslösung war jedenfalls: Nicht gut genug.

Und die Deeskalation ist ja dann auch nicht gelungen. Es gab jede Menge Gewalt, Steine aus der Menge, Aggressivität aus den Reihen der Polizei, unwürdige Bedingungen in der eingekesselten Gruppe, wir kennen die Berichte. Wie können die Verantwortlichen jetzt ernsthaft von einem gelungenen Einsatz sprechen? Was ist denn daran gelungen? Das war: Nicht gut genug! Und von Deeskalation: Keine Spur.

Und das alles passt natürlich ganz allgemein zu vielen Kritikpunkten am Polizeiapparat, an der fehlenden Kontrolle, an fehlender Reflektion, an zu großen Entscheidungsbefugnissen rund um Demonstrationen usw. Weil es dabei um eine ganze Menge geht, möchte ich diesen Punkt noch weiter öffnen: Das Versagen der Polizei rund um das Thema internalisierter Rassismus in den eigenen Reihen, um Polizist_innen mit rechter Gesinnung in den eigenen Reihen, zum Glück gibt es inzwischen wenigstens die Berichterstattung darüber, ich lese z.B. gern bei Gilda Sahebi oder Mohamed Amjahid. Dass unser Staat es nicht schafft, hier wirklich zu reformieren ist existentiell. Und nicht gut genug.

Zieht den Finger aus dem Arsch!

Und das bringt mich zu meiner Kritik an „der“ außerparlamentarischen Linken: Wenn eine Lage so verfahren ist, dann, so sage ich mal ganz unakademisch, dann muss halt auch irgendwer einfach mal den Finger aus dem Arsch ziehen, und sich besser als die anderen verhalten, auch wenn es unfair ist. Es geht nicht darum, wer angefangen hat, es geht darum, ein menschenwürdiges Leben für alle, auch für marginalisierte Gruppen zu ermöglichen, es geht darum, Diskriminierungen abzuschaffen und sich als Staat immer wieder neu zu reflektieren. Das ist, zumindest für mich, das große Ziel. Und davon sind wir nach diesem Wochenende einmal mehr weit entfernt. Jede fliegende Bierflasche, jede brennende Mülltonne bringt neue Stimmen für die AfD, stärkt rechte Netzwerke, deren Rückhalt in der Bevölkerung. Soviel strategisches Denken sollte doch auch in einer aufgeladenen Demo noch möglich sein?! Nicht gut genug!

Diese Aktionen bringen Geflüchteten gar nichts, sie grenzen Kinder und Familien aus, die in der Regel unter diesen Bedingungen nicht mitlaufen werden, sie dienen der Selbstbestätigung, nicht aber der perspektivischen Verbesserung unserer Lebensumstände. Ich wünsche mit eine offene Linke, die sich nicht anbiedert, aber im Gespräch bleibt, und ich weiß auch, dass es viele Menschen gibt, die genau das leben. Die aber am letzten Wochenende wieder einmal nicht zu Wort kamen. Nicht gut genug.

Nächstes Jahr sind Landtagswahlen.

Nächstes Jahr sind Landtagswahlen, unter anderem in Sachsen und Thüringen, mit besten Chancen für Bernd Höcke und Konsorten. An seiner Stelle würde ich in jede Demo ein paar verkleidete Steinewerfer_innen einschleusen, das wirkt sich für ihn nämlich ganz prächtig aus. Wahrscheinlich öffnet er sich dabei sogar einen Sekt. Aber nicht, weil er wirklich was zu bieten hätte. Sondern weil wir nicht gut genug waren. Echt mal.

Also, lasst die Hosen runter, springt in den Zug und ändert was. Siehe Video.

Wie läuft es eigentlich… im Bienenland?

Traurig, manchmal sogar problematisch an der Projektarbeit ist oft der enge zeitliche Rahmen, in dem alles passiert und vobeigeht. Und dann gibt es sie manchmal aber eben doch: Die Dauerbrenner. Projekte, die sich immer wieder verändern, neu erfinden, unter erheblichem Aufwand irgendwie weitergehen. Von diesen Projekten gebe ich ab sofort dann und wann ein Update, um die Arbeit sichtbar zu machen, die darin steckt, um das Projekt für mich und euch zu rekapitulieren, manchmal auch, um mich einfach daran zu erfreuen. Als erstes: das Bienenland.

Warum heißt es eigentlich „Bienenland“? Wir sind keine Bienen! Wir haben kein Land! Warum Bienenland?

Diese mit Vehemenz gestellte Frage (Aussage! Kampfschrei! was auch immer) ist in den letzten Wochen aufgekommen. Möglicherweise steht unser kleiner mobiler Staat vor einer neuen Transformation?
Vor zwei Jahren wäre das undenkbar gewesen: Im Februar 2015 gründeten wir mit viel Pomp und der Nationalhymne Coco Jambo unseren eigenen Staat mit ganz eigenen Gesetzen, Bräuchen und Prioritäten. Alles was geschah, geschah in Abstimmung aller Bienenbürger_innen: geflüchtete und nicht geflüchtete Kinder und auch immer wieder Erwachsene. Die Erfahrungen rund um Armut, Traumata und Alltagsrassismus rund um dieses Projekt haben mich sehr geprägt.

Das ursprünglich als Recherchephase angelegte Leben im selbst gegründeten Staat erwies sich als außerordentlich fruchtbar – wie schwierig es ist, das Zusammenleben von Menschen zu organisieren, und welche Bedürfnisse es dabei zu befriedigen gilt! Zugleich blieb es eine Herausforderung, in der Gruppe überhaupt irgendetwas zielorientiert anzugehen. Die Förderung über tanz+theater machen stark sah als dritte Phase eine Inszenierung vor, die wir Erwachsenen gern gemacht hätten: So spannend fanden wir die Forschungsergebnisse, so wichtig die Aufmerksamkeit für die Bienenbürger_innen. Und doch gab es da auch die realistische Sorge: Wie vereinbaren wir die Bedürfnisse der Gruppe mit den Anforderungen an Struktur und Disziplin, die mit der Theaterarbeit einhergehen würden? Oder besser: Würden die Kinder Bock auf Theater haben? Alle Ideen, die uns erfolgversprechend erschienen, wären für ein derartiges Projekt ungewöhnlich, schwer förderfähig gewesen. Vermutlich (so denke ich jetzt) war dieses Dilemma im Antrag spürbar. Er wurde nicht bewilligt.

keine finanzierung, zig kinder

Und so gab es keine Finanzierung mehr, wohl aber zig Kinder, die uns jeden Dienstag entgegen rannten und eine Arbeit, die uns wirklich sinnvoll vorkam. Wir suchten ehrenamtliche Helfer_innen. Ich verschwand nach Krankheit und Geburt in die Elternzeit. Und mag mir kaum vorstellen, wie viel Kraft es meine Kolleginnen gekostet haben mag, das Fortbestehen des wöchentlichen Angebots „Bienenland“ zu gewährleisten.

Heute sind wir nicht mehr zwei, sondern vier Kulturpädagoginnen und eine Medizinerin, die die konzeptionellen Fäden ziehen. Wir betreuen um die zehn Freiwillige, unterstützen bei der Umsetzung eigener Ideen und versuchen darauf zu achten, dass nicht nur die Kinder, sondern auch die Erwachsenen Gelegenheit haben, sich weiterzuentwickeln. Auch an Rückendeckung in schwierigen Situationen soll es nicht fehlen; bei jedem Dienstagstermin ist eine von uns dabei. Wir bemühen uns um Kontakte in die Kulturinstitutionen der Stadt, an Orte, die den Kindern gefallen könnten. Und natürlich entwickeln wir auch immer wieder Projekte, die für „unsere“ Gruppe interessant sind, beantragen Gelder und summen so ein Stückchen weiter auf unserem Weg.

Inhaltlich arbeiten wir eng an den Wünschen der Gruppe entlang – wir sind Möglichmacher_innen. Dieser Geist des Ursprungsprojekts ist geblieben – wenn du etwas willst, dann nehmen wir dich beim Wort. Ein Märchenschloss? Wir bauen es nicht, aber wir geben wir Holz und Hammer. Neue Regeln? Wenn es dir gelingt, die anderen Gruppenmitglieder zu überzeugen, können wir unsere Regeln ändern. Nicht mehr Bienenland heißen? Wir werden sehen, was hier noch geschieht… Wir unterstützen die Kinder bei ihren Projekten, genauso aber auch die Freiwilligen, beraten wo nötig und freuen uns über alle Erfahrungen.

unfinanziert und doch so nachhaltig

Und so läuft das Bienenland eben weiter. Im Kernbereich unfinanziert und dennoch so nachhaltig. Wenn ich mir etwas für die Zukunft unseres kleinen Lands wünschen dürfte, dann wäre das Planungssicherheit. Und viele neue Freiwillige. Habt ihr Lust? Dann macht mit!

Harte Fakten: Das Orga-Team besteht aus Katharina Wessel, Bettina Salzhuber, Johanna Dieme, Klara Pegels, Solveig Hoffmann. Räumlich und zeitlich verortet ist das Bienenland am Dienstagnachmittag in den Atelierräumen von Hildes Enkel.

Ehrenamtliche Helfer_innen gesucht!

– kulturpädagogische Arbeit mit geflüchteten Kindern –

Das Angebot
Jeden Dienstag treffen sich in den Atelierräumen der Initiative „Hildes Enkel“ Kinder, die entweder im Asylbewerberheim Torgauer Straße wohnen oder ehemals dort gewohnt haben. Gemeinsam gestalten wir unsere Zeit nach den Ideen der Kinder: basteln, malen, spielen, verkleiden oder etwas bauen. Die Erwachsenen sind in diesem Prozess unterstützende Möglichmacher_innen, gehen auf die Ideen der Kinder ein. Probleme in der Gruppe werden möglichst gemeinsam gelöst, dabei können im gemeinsamen Prozess auch unkonventionelle Lösungen gefunden werden. Für diesen Raum gibt es einen Namen: Das Bienenland.

Die Arbeit
Das Angebot umfasst nach Absprache die Abholung der Kinder in der Torgauer Straße, die gemeinsame Gestaltung des Nachmittags und das Zurückbringen der Kinder. Wichtig sind eine grundsätzliche Offenheit im Umgang mit Menschen und neuen Situationen und Geduld und Kreativität bei Übersetzungsprozessen.

Organisatorisches
Das Angebot findet immer dienstags nachmittags statt:
15 Uhr Treffen des Teams
16-17:30 Uhr Abholen der Kinder im Heim, Angebot im Atelier „Hildes Enkel“
ab 17:30 Uhr Zurückbringen der Kinder.

Alle zwei Monate gibt es zudem ein Treffen aller ehrenamtlichen Helfer_innen, um aktuelle Entwicklungen, Erfahrungen und Probleme zu besprechen.

Wer/Was steht dahinter?
Das Bienenland ist aus dem Projekt „Wo die wilden Bienen wohnen“ hervorgegangen, dass 1,5 Jahre von mehreren Trägern unter Leitung/nach einer Idee der Künstlergruppe „Performance-Firma Wessel&Hoffmann“ aufgebaut wurde.
Inzwischen hat sich das Bienenland zu einem regelmäßigen kulturpädagogischen Angebot entwickelt, das von Ehrenamtler_innen getragen wird. Betreut wird es von den Theater-/Kulturpädagoginnen Katharina Wessel, Solveig Hoffmann, Johanna Dieme, Kara Pegels und Bettina Salzhuber, von denen an jedem Termin mindestens eine anwesend ist und die zudem bei Problemen als Ansprechpartnerinnen zur Verfügung stehen.

Interesse?
Wir freuen uns sehr über Menschen, die Lust haben, das Bienenland kennenzulernen und evtl. zu unterstützen!

Kontakt: bienenland@eexistence.de

Ein Auftakttreffen für alle Interessierten wird es unter dem Titel „Freiwillig mit Kuchen“ am 21.10. um 15 Uhr im Atelierraum „Hildes Enkel“ geben: Hildegardstraße 49, 2. Stock.
Bei Kaffee und Kuchen können hier alle Fragen in persönlicher Runde geklärt werden.

Hier geht’s zur Facebook-Veranstaltung „Freiwillig mit Kuchen“.

Auf bald, wir freuen uns!

Menschenrechte betreiben. Über die Organisation von Asylbewerberheimen.

Ich fahre wieder regelmäßig. Ins Asylbewerberheim. Seit 2013 tue ich das nun, mit einer längeren Pause durch die Elternzeit. Nun bin ich wieder da: Neue Kinder, neue Eltern, ein frisch renoviertes und erweitertes Heim.

Neu ist auch (schon wieder!) der Betreiber des Heims. In den knapp vier Jahren, die ich nun dorthin fahre, ist es der dritte Betreiber, den ich erlebe. Und es ist bezeichnend, was neu ist, und was immer gleich bleibt. Deshalb schreibe ich hier aus der Position der Ehrenamtler_innen, die mit den Menschen im Heim arbeiten, über die Organisation eines Ortes, der letztlich dem Schutz von Menschenrechten dient.

Ende Mai erreicht mich eine Mail: Das Team der Sozialpädagog_innen verabschiedet sich. Ab dem 1. Juni wird alles anders sein. Und ja: Als ich am 6. Juni das Gelände betreten will, stoße ich sofort auf neue Gesichter. Die Security an der Pforte ist komplett neu besetzt. Sie rufen einen freundlichen Sozialpädagogen an, der kurz mit mir spricht. Er ist einer von zweien, die als Springer aus anderen Heimen herversetzt wurden, um übergangsweise ca. 150 Menschen zu betreuen. Er hat noch keine Telefonnummer und keine Mailadresse. Und 100.000 Aufgaben.

Niemand ist da, um das Spielzimmer für die Kinder zu öffnen. Das obliegt nun (wie schon damals 2013) uns Ehrenamtler_innen. Wenn wir nicht kommen, passiert es nicht.

Noch können wir auch keine Verträge mit dem Betreiber abschließen. In diesen werden die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Arbeit der Ehrenamtler_innen festgelegt. Eine Formalität, aber im Falle eines Unfalls kann das sehr wichtig werden. Wir werden lediglich gebeten, im Laufe der nächsten Wochen Ausweiskopien an der Pforte zu hinterlegen.

Die Kinder rufen nach ihrem früheren Pädagogen. Der nicht mehr kommen wird, weil er vom neuen Betreiber nicht übernommen wurde.

Und ich? Ich kenne das ja schon. Ich habe Verständnis für die Lage der einzelnen Menschen vor Ort. Es ist überfordernd, in diesem riesigen Apparat, mit diesen vielen vielen Menschen, die alle existentielle Nöte haben zu arbeiten. Der Situation gerecht zu werden. Und die Verlockung ist groß, in dieser Situation „den alten Hasen“ zu geben, etwas zu schimpfen aber im Großen und Ganzen stolz darauf zu sein, dass man jetzt zu den Dienstältesten Personen im Heim gehört. Fürchterlich.

Für die Menschen, die dort wohnen, auf Hilfe bei der Wohnungssuche warten, auf Hilfe bei der Bearbeitung endloser Briefe der Behörden, die Angst vor der Abschiebung haben oder dringend soziale Hilfen benötigen, für die ist dieser Zustand nicht hinnehmbar. Ein normaler Übergangszustand? Vielleicht, aber warum hat der Betreiber überhaupt schon wieder gewechselt? Warum gibt es überhaupt einen „Betreiber“?

Wenn sich mit Menschen, die definitiv in Armut leben, immernoch so viel Geld verdienen lässt, dass es sich lohnt, mit Asylbewerberheimen Geschäfte zu treiben, dann geht das Geld an die falsche Stelle. Man könnte es für mehr Sozialpädagog_innen und eine unabhängige Rechtsberatung ausgeben. Für eine kontinuierliche Begleitung von verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen. Kurz, für all das, was Einzelne stärkt und ihnen die Integration bzw. Inklusion in unsere Gesellschaft ermöglicht. Hier geht es, wie man so schön sagt, um unsere Steuergelder, die dort versickern, wo andere verdienen. Bitte empören. Jetzt.

In einer früheren Version des Textes hatte ich von mehreren hundert Bewohner_innen des Asylbewerberheims gesprochen. Tatsächlich wurde dieses im letzten Jahr renoviert und erweitert – wie ich gestern erfahren habe, ist nun allerdings nur ein kleiner Teil des Heims bewohnt. Aktuell wohnen ca. 150 Personen dort.

Links vom April

Wie jeden Monat hier einige Empfehlungen zu „Dingen im Internet“ – ungeordnet, aber zumindest für mich alle interessant. Vielleicht auch für euch?

Seit ich das erste Mal in einem Asylbewerberheim war, bewegt mich die Problematik der Roma, die – so mein Eindruck – einfach überall weggeschickt und abfällig behandelt werden und diese Haltung oft bereits vorwegnehmen. Selten habe ich Menschen erlebt, die so geringe Erwartungen an ihr Gegenüber hatten und gleichzeitig so fordernd auftraten. Inzwischen erlebe ich sie nur noch selten; mit der Einstufung bestimmter Staaten als „sichere Herkunftsländer“ sind sie noch unsichtbarer geworden. Umso schöner, dass hier ein großes Archiv für die Kunst der Roma wächst!

Eine große Menge Geld fließt über das Bundesprogramm „Kultur macht stark“ in künstlerische Projekte mit sogenannten benachteiligten Kindern – so wurde z.B. auch das Bienenland zu Beginn gefördert. Über den „Wunderkerzeneffekt“ dieser Förderungen sprechen meine Kolleginnen aus dem Bienenland, Katharina Wessel und Bettina Salzhuber, bei diesem Fachtag in Erfurt am kommenden Donnerstag. Kommt auch, wir sehen uns!

„Die Initiative kulturelle Integration, die auf eine Idee des Deutschen Kulturrates zurückgeht, will Impulse für diese gesellschaftlichen Diskussionen auslösen. Sie will erste Antworten finden und zugleich offene Zukunftsfragen benennen. Sie will insbesondere zeigen, welchen Beitrag Kultur zur Integration leisten kann –zur Integration der Menschen, die nach Deutschland kommen, aber auch derjenigen, die bereits in Deutschland leben.“ Gerade wenn de Maizière die Leitkultur-Debatte wieder hervorholt, ist es wichtig, sich mit diesen Themen zu befassen! Eine ganze Menge zu lesen gibt es dazu auf dem Webauftritt der Initiative kulturelle Integration.

In einer Woche fahre ich zur re:publica nach Berlin und freue mich schon sehr darauf, das erste Mal dabei zu sein. Und auf den Vortrag von meinem Bruder. Hoffentlich ohne AfD-Trolle. Sehen wir uns?

 

 

Links vom März

Tja, der März… größtenteils in Wien verbracht und ganz viel Tolles dort erlebt. Und zufällig auf ein hübsches Blog gestoßen, das sich dem Themenbereich Kultur und Reisen mit Kindern widmet. Eine gute Sache, um sich noch den einen oder anderen Tipp zu holen! http://kindamtellerrand.de/

Und noch ein Blog: Hier entdeckte ich diesen Artikel über bildende Künstler*innen aus Syrien, die sich in einem internationalen Netzwerk organisieren. Den Artikel fand ich etwas „verkäuferisch“ und oberflächlich, aber die Idee des Netzwerks und den Überblick, den man sich dort verschaffen kann sind doch ganz interessant… Einfach mal eine neue Perspektive.

Und schließlich hatten wir in der Reihe „Projekte und Kuchen“ einen prima Gast: Alex vom Performance-Kollektiv ongoing project. Ein interessantes Gespräch, und auf der Homepage auch dieser interessante Film: Selten dokumentiert eine Gruppe so ehrlich die Konflikte, die entstehen können, wenn man in einer Schule/Kleinstadt etc. ankommt und „modernes Theater“ machen will.

Und mehr habe ich in diesem März nicht… Vielleicht habt ihr im März mehr im Internet erlebt?

Endlich: NETZWERKTREFFEN KUNST, KULTUR UND INTEGRATION

Es gibt in Leipzig (inzwischen) viele viele Künstler_innen und Kulturpädagog_innen, die sich mit Geflüchteten beschäftigen oder dies angesichts der aktuellen Debatte planen. Ideen und Anträge purzeln sozusagen um die Wette, und oft erfährt man erst viel zu spät von den Erfahrungen und Möglichkeiten des anderen. Gefühlt treffe ich seit ca. einem Jahr fast wöchentlich einen engagierten Menschen, der mir erzählt, jetzt mal eine Plattform zu schaffen/ein Treffen zu organisieren, bei dem „das alles vernetzt wird“. Am besten auch noch mit all den anderen ehrenamtlichen Projekten, sozialen Hilfen und kirchlichen Angeboten. Eine durchschlagende Wirkung hat von diesen Menschen in meiner Wahrnehmung noch niemand erzielt, wobei ich ihr Engagement sehr respektiere: Der Bedarf ist da, und es ist keine leichte Aufgabe, eine unüberschaubare Zahl nicht oder sehr verschieden organisierter Menschen an einen Tisch zu bringen.

Nun hat das LOFFT zum NETZWERKTREFFEN KUNST, KULTUR UND INTEGRATION eingeladen – nach langer Überlegung, was man im eigenen Theater angesichts der Debatte um Geflüchtete wirklich tun könne. Dass so lange überlegt wurde und nicht Hals über Kopf ein gut gemeintes Projekt angezettelt wurde, ist mir sympathisch. Denn wie gesagt: Ein solches Netzwerktreffen war überfällig. Und Ehrenamtler_innen/einzelne Akteure haben nunmal nicht die Ressourcen so breit einzuladen, wie eine Institution. Insofern wurde auf einen reellen Bedarf eingegangen.

Das wurde auch insofern schnell sichtbar, als es wirklich voll war – ca. 70 Personen – und dass auch nach Ende der Veranstaltung noch lange geredet wurde. Zum Glück beschränkte sich das Arbeiten nicht auf eine 2-stündige Vorstellungsrunde; stattdessen wurde klar strukturiert zu bestimmten Themen diskutiert. Und so entstand, was bei einer ersten Veranstaltung dieser Art entstehen muss: Ein weiter Überblick über ganz verschiedene Themen und Fragen, etwa zu den Zielen und Motivationen der Kulturschaffenden sich mit Geflüchteten zu beschäftigen, oder auch zu den ganz realen Problemen, die dabei auftauchen. Vieles ging mir persönlich nicht tief genug, aber das liegt wohl in der Natur eines ersten Treffens. Schade auch, dass mir kaum Vertreter_innen der großen städtischen Kultureinrichtungen über den Weg liefen – schließlich hätten gerade diese die Ressourcen, größere Projekte anzugehen. Und überhaupt: Warum musste dieses überfällige Netzwerktreffen mit dem LOFFT überhaupt von einem Vertreter der freien Szene gestemmt werden? Wäre das nicht eine wunderbare Aufgabe für das Kulturamt gewesen, das doch ein Interesse daran haben muss, all die Inititativen zu vernetzen und selbst einen Überblick zu erhalten? Zumal ein Förderschwerpunkt für das Jahr 2016 doch Inklusion und Migration heißt…

Am Ende des Abends stand eine große Aufzählung von Themen, Problemen, Fragen und Ideen. Die meisten betrafen all die vielen Probleme, die in der Arbeit mit Geflüchteten immer wieder auftauchen und um die man nicht herumkommt; letztlich existentielle Fragen um Politik, aber auch Lebenssicherung, Umgang mit Sprachproblemen, mit Traumata. Praktische Probleme, die riesengroß sind.

Was nun meines Erachtens ganz dringend diskutiert werden muss: Was ist unsere Rolle als Kulturschaffende in diesem Wust aus Fragen und Problemen? Sollten wir jetzt die besseren Sozialarbeiter_innen werden und nur ab und an ein paar Malstifte rauslegen? Oder rigoros die Loop-Station rausholen, auch wenn keiner mitmachen will und die Interessen der Geflüchteten möglicherweise ganz woanders liegen? Was kann Kunst zu der Situation wie sie jetzt ist beitragen?

Und wie können wir den Geflüchteten selbst besser zuhören, sie einbeziehen, mit ihnen zusammenarbeiten?

Eine Antwort darauf ist mir übrigens 2 Tage später über den Weg gelaufen. Lama Souissey hat schon oft für mich übersetzt: Im Bienenland, in der GfZK, im privaten Kontakt. Sie übersetzt für wahnsinnig viele Menschen in Leipzig, aber – sie studiert auch Illustration an der HGB. In ihrem Buch „Abud. Der Friseur (ohne Ausbildung)“ hat sie einen sehr einfachen und wunderschönen Weg gefunden, aus all dem, was sie in der Torgauer Straße gehört hat, Kunst zu machen. Sie hat einfach erzählt, was ihr erzählt wurde und was sie gesehen hat. Auf ihre eigene, persönliche Weise.

Vielleicht sollten wir damit erstmal anfangen?

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