Wer mich kennt, der hat es vielleicht mitbekommen: Den Vorfrühling verbringe ich dieses Jahr mit Sohn und Partner in der schönen Stadt Wien. Leider ohne ins Theater gehen zu können (das ist ein echtes Opfer!), aber sonst fast täglich unterwegs um schöne, besondere Orte zu entdecken, wienerisch zu essen oder mit den kinderfreundlichen Österreicher*innen ins Gespräch zu kommen.
Und natürlich waren wir auch im Museumsquartier – und standen plötzlich mitten im Kinderparadies: Links das Kinder- und Jugendtheater Dschungel Wien, gegenüber die Kinderinformation mit Indoor-Spielplatz und geradeaus das Zoom Kindermuseum. Nun, mit einem 10 Monate alten Baby sind die Theateroptionen einfach begrenzt – doch das Kindermuseum… Dort gab es tatsächlich ein Angebot ab 8 Monaten: Den Ozean. Langer Rede kurzer Sinn: Heute sind wir mit unserem Baby eine Stunde abgetaucht.
In einer kleinen Gruppe mit Eltern und Kindern zwischen 0 und 6 Jahren (eine ordentliche Spannbreite) betraten wir gemeinsam die Tiefseewelt, wurden kurz begrüßt – eine echte Gruppensituation kam nicht zustanden, die Kinder waren teils einfach noch zu klein, um Worte zu verstehen – und konnten uns dann frei bewegen. Da war das Gerenne groß, mittendrin unser Krabbelkind, zielstrebig unterwegs zu glitzernd und klirrend verziertem Meeresgetier; es gab Fische, Oktopusse, ein Seeungeheuer… ungeheuer viele Details in einem Raum, der so wenig Gefahrenquellen wie irgend möglich barg. Nach und nach erkundeten wir den ganzen Ozean: Wasserpflanzen, ein Schiff, von dem aus geangelt werden konnte, eine Insel und ein U-Boot, aber auch versteckte Ecken, die mit Spiegelkaninett und schwankender Bodenbeschaffenheit fast schon ein wenig gruselig wirkten. Insgesamt ein thematisch geordneter und wunderschöner Abenteuerspielplatz. Die Kinder sahen ausnahmslos glücklich aus.
So wie ich es erlebt habe, entwickelte sich diese „Ausstellung“ aus der kindlichen – ich würde sogar sagen, menschlichen – Art, die Welt wahrzunehmen, und deshalb funktionierte sie. Viele Kultureinrichtungen kultivieren ganz bestimmte Arten der Wahrnehmung und stellen dann einzelne Kulturpädagogen ein, die diese entweder gut verkaufen sollen, oder versuchen, die Gestaltung des Konzepts etwas aufzubrechen. Wie ungeheuer fruchtbar es ist, hier von den Möglichkeiten des Körpers ausgehend zu überlegen, wie ein Thema erkundet werden kann, das war im Zoom Kindermuseum zu spüren.
Und für unser Baby hätte das gereicht: Wahrnehmung. Ausprobieren, in einem geschützten Raum. Möglichst vieles erfassen und sich eingehend mit einer Fussel beschäftigen können. Oder einer Fuge. Einem Schnürsenkel. Es braucht noch kein Thema wie den Ozean.
Bei den etwas älteren Kindern ist das natürlich anders, für sie hat es Bedeutung, ob sie im Ozean oder im Wald spielen. Der Ozean nun ist seit über 20 Jahren in Benutzung. Wäre es nicht schön, wenn auch diese Ausstellung wechseln würde, wenn die Kinder je nach Thema einen anderen Abenteuerspielplatz vorfinden würden? Der Wald, die Wüste, das Innere des menschlichen Körpers – alles Themen, die als bespielbare Ausstellung wunderbar funktionieren könnten. Und hätten nicht auch Erwachsene Spaß an solcherlei Präsentationen?
Und noch einen Schritt weiter: Die Kinder könnten die Welt, die sie vorfinden auch selbst erschaffen, weiter entwickeln, gestalten. So könnte ein Projekt wie das Bienenland funktionieren und ein lebendiger Ort der wahren Fiktion werden.
Wie lange wäre das dann noch eine Ausstellung? Ab wann hätten wir einfach Fakten geschaffen?
Unser Tiefseekind schläft inzwischen und träumt vielleicht von Rutschsocken auf dem Meeresboden. Ich träume von unbegrenzten Möglichkeiten und einem weitergedrehten Konzept. Danke, Kindermuseum.