Randnotizen VIII

Je schneller der Alltag vergeht, desto langsamer schreibe ich mit. Dafür habe ich gelesen, und zwar den Literaturkanon der Altenburger Straße. Und gepinkelt wurde auch, aber woanders. Viel Freude!

Schwimmbad, Dusche. Mein Badeanzug wurde als figurformend verkauft und in der Tat: Mein Körper wirkt figurformend auf das schwarze Kleidungsstück. Gegenüber stehen zwei Frauen unter der Dusche, nackt, gut gelaunt, formlos, wenn man so will. Eine der beiden, vielleicht Anfang 60, dreht sich entspannt im warmen Wasser. Ihr fehlt eine Brust. Wie sie da steht ist sie einfach absolut cool. Kurz überlege ich, was wäre, wenn ich ihr das jetzt einfach so sagte. Das geht auf gar keinen Fall, würde alles kaputt machen. Und aus genau diesem Grund ist jede Werbe-Kampagne mit Body-Positivity-„Botschaft“ zum Scheitern verurteilt. Weil das Normale kein Urteil und keine Anerkennung braucht.

Charlotte, ey.

„Charlotte? Die ist völlig geisteskrank. Ey, die ist als erstes in eine Burschenschaft eingetreten, obwohl sie ja von hier kommt und schon einen Freundeskreis hatte. Und dann hat die sich gleich bei der Ersti-Party halt einen Typen angelacht, aber das war nach zwei Monaten auch wieder vorbei, weil die einfach geisteskrank ist. Die haben dann gestritten und sie meinte dann so, dass sie ihm die Wohnung anzündet. Und dann ist sie mit Lea zusammengezogen und da gab’s dann natürlich auch wieder Stress. Und jetzt hat sie auch schon seit 2 Jahren einen Freund, fährt aber trotzdem immer nach Hamburg und datet da irgendwelche Sugardaddys. Und -“ (Leider musste ich dann los, aber ich will seither unbedingt wissen, wie es mit Charlotte weitergeht…)

Unsicher tapsen sie da umher, in der Gemüseabteilung, diskutieren leise, wo gibt es denn noch Basilikumgewürz, der Topf ist so teuer, es wird gesucht, also machen wir das jetzt oder nicht?, ich kann es nicht mehr mit anhören, „Vernünftigen Basilikum bekommt ihr nur im Topf“, informiere ich sie. „Der hält dann auch einige Monate.“ „Ja, man nehme sich immer vor, den mal umzutopfen, aber dann…“, „Nein, nein, das schaffen die schon“, doziere ich, „es sei denn, den Pflanzen wurden die Wurzeln gekürzt, da könnt ihr dann machen was ihr wollt….“ Konsequent duze ich die beiden Jungs (jungen Männer), konsequent breite ich mein Wissen aus, konsequent wird der Blumentopf eingepackt. Ich verabschiede mich, die beiden bedanken sich artig. Heute habe ich gewomansplained.

An eurer Stelle würde ich den Basilikum im Topf nehmen!

Nicht alle mögen es, wenn ihr Haus getagged wird. Eine Wohnungsbaugenossenschaft hat deshalb vorauseilend ihre Fassade mit einem großen Graffito veredeln lassen. Und das ist höchst interessant: In einem Teilbereich sieht man ein ganzes Bücherregal inklusive Titel. Der eine oder andere wurde offensichtlich zu später Stunde mit dem Edding ergänzt, und so zeigt sich ein Literaturkanon von Tantra bis zum Zauberberg. Ich finde, man könnte die Liste noch ein wenig verjüngen, habt ihr Vorschläge?