Wo die wilden Bienen wohnen. Staatengründung mit Kindern

Nächste Woche tauche ich ab. Eine Woche lang werde ich schwer zu erreichen sein, mich nicht im Büro aufhalten, selten meine Mails checken und noch seltener ans Telefon gehen.

Ich werde einen Staat gründen!

Mit meiner Kollegin Katharina Wessel und einer Gruppe von Kindern aus Deutschland, Syrien, Libyen, Serbien, Albanien und, und, und arbeite ich in den Räumlichkeiten von „Hildes Erben“ im Leipziger Osten. Ziel: Wir gründen unseren eigenen Staat.

Und das meinen wir sehr ernst. Ich persönlich wundere mich schon sehr, wie erwachsene Sachsen gegen jede vernünftige Integration Fremder Sturm laufen – worin auch immer die Fremdheit besteht. Weit davon entfernt, Kinder als ideal-friedliche Überwesen wahrzunehmen, beobachte ich doch, dass sie die einzigen sind, die sich im Freistaat nicht drücken können. Vor der, Achtung, jetzt wird’s schwerwiegend, Integration.

Ja, es knallt, wenn 10-20 Kinder mit 4-5 Sprachen, jeder Menge Stereotypen, Traumata und Playstationwünsche um mich herumturnen. Tatsache ist aber, dass diese Kinder keine Wahl haben: Sie müssen sich arrangieren. Und meistens klappt das dann auch.

Deshalb denke ich, dass sie qualifiziert sind, einen Staat zu gründen. Künstlerisch spannend, denn sie bringen extrem unterschiedliche Erfahrungen mit Staaten mit: Von der Flucht übers Mittelmeer bis zum Streit um die Schulempfehlung bei LRS. Auch verschiedene ästhetische Vorstellungen: Der Raum muss limegrün gestrichen sein, aber irgendwie auch gold glitzern. Und verschiedene Geschlechterrollen: Fast alle Jungs wünschen sich eine PS4, bei den Mädchen zündete bisher vor allem die Idee eines Boxsacks. Wir werden sehen.

Ich bin sehr gespannt, was wir nächste Woche herausfinden werden. Werde ich Königin des Staates bleiben? (Es hat sich schon ein Untergrund formiert, die Monarchie erschien mir halt einfach pädagogisch so praktisch…) Werden wir Pässe haben, und wie sehen die aus? Schotten wir uns ab, oder lassen wir Neue rein?

Wer das verfolgen und am 21.2. evtl. eine Führung mitmachen will, der sei herzlich eingeladen. Alle Infos hier und auf facebook. Bis bald!

 

„Wo die wilden Bienen wohnen“ – Projekt im Programm „tanz+theater machen stark“ vom Bundesverband freier Theater. Kooperationspartner: Förderverein der Kinder- und Jugendkulturwerkstatt JOJO, 16. Oberschule Leipzig, Humboldtgymnasium Leipzig, Quartiersmanagement Leipziger Osten

positive gossiping: über Theater.Frauen

Laut KSK-Zahlen verdiene ich als Frau jährlich vermutlich 5000 € weniger als ein Mann meines Alters und Berufs.

Von diesen 5000 € könnte ich endlich nach Neuseeland reisen. Eine tolle Altersvorsorge bezahlen. Ich könnte auch einfach weniger arbeiten.

Stattdessen bin ich am letzten Samstag zur Konferenz „Theater.Frauen“ nach Berlin gefahren. Und war einmal mehr erstaunt, wie unterschiedlich Menschen auf das Thema „Frauen im Theater“ zugehen, heißen die Parameter für mich doch ganz einfach: Geld und Respekt.

Im Workshop von Polasek&Grau wurde das ganz besonders deutlich, und es ist ihr Verdienst, dass sie die dadurch entstehende Diskussion nicht abgewürgt haben, obwohl der ursprünglich geplante Ablauf vermutlich etwas anders gedacht war. Im entstehenden Gespräch trafen Menschen, die sich seit Jahren mit Gender- und Gleichstellungsfragen beschäftigen auf sehr nachdenkliche Workshopleiterinnen, die der Thematik teilweise skeptisch gegenüberstanden. Und zum ersten Mal habe ich verstanden, warum viele Frauen jeglicher Genderdiskussion so distanziert begegnen: „Ich will doch kein Opfer sein.“ Ich teile die Annahme dahinter überhaupt nicht, denn Missstände zu benennen macht mich meines Erachtens nicht zum Opfer – und doch frage ich mich seither, was denn schiefgegangen ist, wenn aus einer Genderdebatte gefühlt eine Opferdebatte wird. Und ich bekomme Lust: mehr zu fordern, öfter zu verhandeln. Kurz: Mehr zu kriegen!

Im zweiten Workshop von Elisa Müller (Label müller*****, LAFT Berlin) ging es dann nach einem Überblick über die raren Zahlen zu Frauen in der freien Szene (es gibt Frauen in der freien Szene! viele!! und sie schätzen die flexiblen Arbeitszeiten!) schnell um all die typischen Fragestellungen rund um das Arbeiten als Freischaffende/r. Der Focus lag somit bald gar nicht mehr auf den Frauen, und wie sollte er auch: Eine ausführliche Studie fehlt. Vielmehr hatte die Runde den Charakter eines Austauschs über ein für Frauen wichtiges Beschäftigungsfeld und wurde als solcher auch genutzt.

Richtig schön war dann aber die Podiumsdiskussion zum Abschluss. Zum ersten Mal in meinem Leben saß ich vor einem Podium, das nur mit Frauen besetzt war – da ist es dann auch nicht mehr nötig, über role models zu sprechen. Eine äußerst unterhaltsame Runde war es noch dazu. Und ja, es bestärkt mich, wenn ich höre, wie Susanne Kennedy ihre Gagen verhandelt. Richtig spannend wurde es dann bei der Frage nach einer Frauenquote für bestimmte Berufe/Leitungspositionen im Theater – spannend vor allem, weil sie einhellig eher abgelehnt wurde. Der Eingriff in die künstlerische Freiheit der IntendantInnen sei zu groß. Lieber finanzielle Anreize bei besonderem Engagement. Alles verständlich, wenn es um das Maxim-Gorki-Theater unter der Leitung von Shermin Langhoff geht. Aber in der sächsischen Stadttheaterszene? Bei mir blieb der Eindruck, dass diese Argumentation nachvollziehbar, aber auch ein wenig bequem ist. Denn vermutlich hätte so mancher Aufsichtsrat irgendeines Automobilkonzerns auch sehr gern ein mächtiges Narrativ wie das der Kunstfreiheit bemüht, so er denn gekonnt hätte…

Was bleibt? Das Rad war schon lange erfunden, etwas wirklich Neues habe ich in Berlin nicht entdeckt – eher Bestärkung erfahren. Aber einen neuen Begriff gelernt, sogar eine neue Taktik: Positive Gossiping. Reden wir positiv – z.B. über (andere) Frauen! Fragt jemand nach qualifizierten Kollegen (!) – nennen wir die Namen von 5 Kolleginnen! Ganz einfach, um uns gegenseitig Aufmerksamkeit zu verschaffen, letztlich gehört zu werden.

Bisher fallen mir diese 5 Namen auch nicht immer so schnell ein. Aber ich übe jetzt. Und mache den Anfang mit diesem Artikel: „Theater.Frauen“ war eine richtig schöne Veranstaltung. Entstanden aus einer Idee von 2 Studentinnen der Theaterwissenschaft von der FU Berlin: Maria Nübling und Christina Gassen. Ich musste mehrfach an Facebook-Fotos heranzoomen, um diese Namen hier reinschreiben zu können.

Aber jetzt. Positive gossiping!

 

 

 

Die Verwaltungsgesellschaft

Gestern habe ich ein neues Wort erfunden: Verwaltungsgesellschaft.

Weil ich von klein auf gelernt habe, dass die Begriffe „neu“ und „erfunden“ tückische Begriffe sind, habe ich es gegooglet. Natürlich gibt es das schon: Verwaltungsgesellschaften verwalten andere Gesellschaften. Das passt. Ich möchte eine Umdeutung erwirken und den Begriff erweitern.

Meine These: Wir alle leben in einer Verwaltungsgesellschaft, in der systemerhaltende Prozesse verschlungenen Wegen folgen. Ich möchte meinen, dass wir zwar über Bürokratie stöhnen, vieles, was zur Verwaltungsgesellschaft gehört, aber nicht mal mehr wahrnehmen.

Als Kreative denke ich in diesem Fall visuell: Die Verwaltung ist längst ein unkontrollierbares Wesen, das uns lenkt – wer glaubt, dass er sie kontrollieren kann, wird böse überrascht. Wer glaubt, dass er sie zur Gänze beschreiben kann auch. Wie eine Muräne lukt sie hier und das aus einer Felsspalte und lässt uns im Dunkeln über ihre Größe, ihre Pläne, ihren Jagdtrieb. Und deshalb wird sie am Ende auch wahrscheinlich gegen uns gewinnen.

Ich besitze nicht die Lässigkeit der EU-Kommission den Abbau der Bürokratie zu fördern, wie Jean-Claude Juncker und Edmund Stoiber. Quelle. Wenn die beiden die Muräne am Schwanz kitzeln wollen, bitte sehr.

Dieses Blog allerdings soll meinen persönlichen Weg durch die Verwaltungsgesellschaft dokumentieren: Als freie Kreative im Dschungel der Förderauflagen und Sachberichte, mit methodischen Waffen, um trotzdem noch was zu erreichen, mit Skurrilitäten und Tricksereien um die Muräne abzulenken und natürlich mit den wunderbaren Momenten, wenn sie ganz kurz mal gar keine Rolle spielt.

Und wenn dann in 237 Jahren die Muräne an Altersweisheit gestorben ist und Marsmenschen mein Blog als einzige Quelle haben, dann werden sie sagen: Genau so war es. Und es in ihren Lehrplan und die Prüfrichtlinien übernehmen. Damit sowas nie, nie wieder passiert.

 

Ein bisschen frei. Mein berufliches Selbstverständnis.

Was machst du beruflich?

– Hm. Achje. Also ich bin freie Theaterschaffende, Theater- und Kulturpädagogin und Autorin für transmediales Erzählen.

Was ist das denn?

-Das erzähle ich besser mal in einem anderen Blogeintrag, sonst dauert das hier zulange.

Okay. Und was macht man so als Theaterpädagogin?

– Ich arbeite mit normalen Menschen und entwickle mit ihnen Theaterprojekte, also einen künstlerischen Prozess. Und je nachdem, wie der Bedarf ist, gucke ich natürlich auch, dass z.B. die Kinder in der Gruppe sich nicht die Köpfe einschlagen, sondern möglichst frei entfalten und gut entwickeln können.

Und schauspielerst du auch?

– Ich bin keine Schauspielerin.

Aber du machst Theater!

– Ja.

Und was genau?

– Alles was dazu gehört. Ich denke mir Sachen aus, schreibe Konzepte, suche Geld zusammen, führe Regie oder performe mit… In letzter Zeit gerne im öffentlichen Raum und als Gruppe organisiert. Wenn ich halt das Geld dafür aufgetrieben kriege.

Und dann machst du so Shakespeare oder so…

– Eher nicht. Obwohl das auch schön sein kann.

Und an welchem Theater bist du da in Leipzig?

– An keinem.

Aber wer bezahlt dich denn?

– Das ist ganz unterschiedlich. Offiziell immer irgendeine Institution oder ein Verein, aber mit öffentlichen Mitteln, die ich entweder selber beantragt habe, über den Verein oder die Institution, weil ich das alleine nicht durfte. Oder sie haben diese Arbeit selber gemacht und heuern mich nur an. Das ist entspannter, aber in den eigenen Projekten steckt natürlich von Anfang an mehr Herzblut.

Aber wer finanziert denn sowas?

– Die Stadt, das Land, die EU, verschiedene Stiftungen…

Du bist ganz schön fit in sowas, oder?

– Naja… Na gut, das hier steht ja im Internet, also: ja.

Und kannst du denn davon leben?

– Ja. Aber ich werde nicht reich.

Na, das ist ja nicht wichtig.

– Wie man’s nimmt. Nein, mir war das wirklich nie wichtig. Aber eine Rente wäre schon schön. Trotzdem, ich habe mich ja aktiv für die Freiberuflichkeit entschieden, und ich will es auch erstmal nicht mehr anders haben.

Warum?

– Ich habe einige Zwänge: Muss mich permanent um die Existenzsicherung kümmern, mir viel mühsamer Gehör verschaffen und immer wieder genau diese Fragen beantworten. Wegen den letzten beiden Punkten fange ich jetzt sogar an zu bloggen.

Aber?

– Naja, ich bin nur mir verpflichtet. Ich entscheide, was mich ernährt, und was ich trotzdem auch noch unbedingt machen will. Ich bin immerhin ein bisschen frei.