Meine Kernkompetenzen bestehen gerade im Husten und Leiden. Und dann habe ich auch noch Ende letzten Jahres meinen Kalender (ja, einen Papierkalender) verloren. Mit der Leseliste. Grmpf. Aber Traditionen wollen gewahrt werden, und deshalb habe ich so ungefähr versucht zu rekonstruieren, welche Bücher ich 2022 gelesen habe. Also los:
Elena Ferrante: Meine geniale Freundin, Die Geschichte eines neuen Namens, Die Geschichte der getrennten Wege, Die Geschichte des verlorenen Kindes – Hat mich sehr beschäftigt. Die Texte sind so dicht, dass ich Mühe hatte, sie zu greifen… Worum geht es in den Büchern überhaupt? Laut Klappentext um Freundschaft, dabei habe ich selten so wenig über echte Nähe gelesen. Worum es mit Sicherheit geht: Armut. Gewalt. Selbstbehauptung und Scheitern. Italienische Geschichte. All diese Themen hätten nicht über zwei Frauen erzählt werden müssen. Aber nur über zwei Frauen konnten die Härten und die Sehnsüchte der Menschen so spürbar werden. Große Empfehlung.
Julia Quinn: Bridgerton – Der Duke und ich, Wie angelt man sich einen Viscount – Das erste hatte ich doch schonmal gelesen? Habe schon wieder alles vergessen.
Mein Buch des Jahres.
Tove Jannsson: Das Sommerbuch – DAS Buch. Mein Buch des Jahres. Nicht klug, sondern weise, auf jeder Seite. Der Sommer, das kann in Finnland schonmal Eis bedeuten. Alles hat im Leben Platz. Das ist schwer. Oder nicht. Und das Gebiss der Großmutter ist in die Pfingstrosen gefallen. Nur Tove Jannsson kann ein völlig unaufgeregtes Buch über leben und sterben schreiben. Lest es alle!
Jan Gorkow: Niemals satt – Ich bin jetzt nicht unbedingt Fan von Feine Sahne Fischfilet, aber ihr Engagement gegen Rechts fand ich gut, und so stieß ich auf das Buch. Der Autor ist verdammt ehrlich – Respekt. Öfter mal wiederholt er sich, aber das ist okay. Deutlich wird aber auch, wie wenig Unterstützung Menschen mit Essstörung bekommen, gerade wenn sie eben dick sind. Da hätte man noch weiter gehen können, z.B. durch einen Austausch mit einer_m Psychologin_en.
Sophie Hénaff: Kommando Abstellgleis – Netter Krimi aus Frankreich.
Andreas Steinhöfel: Rico, Oskar und das Vomhimmelhoch, Rico, Oskar und das Mistverständnis – Das ist einfach eine wunderbare Kinderbuchreihe. Und die hält ihr Niveau auch in den letzten beiden Teilen.
Heide Keller: Das Traumschiff – Wir haben innerfamiliäre Laster. Wer mit mir über das Traumschiff sprechen möchte, kann sich gerne melden!
Astrid Lindgren: Ronja Räubertochter – Das erste lange Buch, das ich meinem Sohn vorgelesen habe. Vielleicht das beste von Astrid Lindgren.
J K. Rowling: Harry Potter und der Stein der Weisen – Auch für meinen Sohn. Ich finde die Bücher der Potter-Reihe immernoch gut, aber natürlich steigt die Autorin gleich mit ordentlich Fatshaming ein. Ich finde, dass man mit Kindern über sowas reden kann und sollte und wir hatten großen Spaß am Abenteuer.
Roald Dahl: Charlie und die Schokoladenfabrik – Was ist der Unterschied zwischen deutscher und englischer schwarzer Pädagogik? Die englische ist lustig. Auch weil mehr als deutlich wird, dass die eigentliche Verantwortung bei den Eltern liegt. Achja: Mein Sohn ist seither Süßigkeitenforscher.
Michael Ende: Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer – Noch so ein schlecht gealterter Klassiker. Einerseits wunderbare Szenen, wunderbare Ideen. Andererseits jede Menge Kolonialismus und wahrscheinlich gut gemeinter Rassismus. Also wieder: lesen und drüber reden.
Eine Frau hört auf zu schlafen und wird in der gewonnenen Zeit sie selbst.
Haruki Murakami: Schlaf – Eine Frau hört auf zu schlafen und wird in der gewonnenen Zeit sie selbst. Die Welt hält das nicht aus. So einfach und klar liest sich Murakami selten. Mit wunderschönen Bildern.
Roald Dahl: Hexen hexen – Auch mit meinem (hartgesottenen) Sohn. Die Hexen sind ultrafies und der Protagonist wird leider in eine Maus verwandelt. Dumm gelaufen, weiter geht’s. Wegen sowas mag ich Roald Dahl so gern.
Roald Dahl: Sophiechen und der Riese – Eines seiner besten Kinderbücher. Und übrigens auch eine Ehrung der verstorbenen Queen!
Tilman Röhrig: Robin Hood. Solang es Unrecht gibt. Ich wollte mal was schmökern… Aber der Schreibstil war leider schrecklich gespreizt. 1€ für jeden Satzanfang mit Partizip.
Bernd Riehm, Daniel Stemmrich: Lassaner Mosaik. Hinter offenen Türen. – Platzdeckchen, Porzellanfigürchen und eine Menge Geschichten von Zeitzeug_innen aus Lassan. Damit verbinde ich viel, sowohl persönlich als auch aus beruflicher Überzeugung. Redet alle mehr mit euren Nachbar_innen.
Thees Uhlmann: Die toten Hosen – Ist schon schön. Aber Band und Autor eint eben auch: die Abwesenheit von existentiellen Erfahrungen. Das ist absolut in Ordnung. Aber irgendwann habe ich mich das halt gefragt, wie Thees Uhlmann in Hoyerswerda klargekommen wäre. Wir werden es nie erfahren.
Ingeburg Kretzschmar: …daß es euch gut gehe – Aus dem Antiquariat im Schloss Stolpe mitgenommen. Texte, Briefe an Kinder, für mich als Wessi von ungewohnten Autoren – teils voll auf Parteilinie, manchmal aber auch einfach sehr schön. Interessante Leseerfahrung für mich.
Wie wird man im alten Rom Gynäkologin?
Penélope Bagieu: Culottées. Des femmes qui ne font que ce qu’elles veulent – Absolut tolle Comics über Frauen, die nur machen, was sie wollen: Von der Gynäkologin im alten Rom zur Königin des Kongo und so weiter. Ich konnte gar nicht aufhören zu lesen. Gibt’s das schon auf deutsch?
Sirka Elspaß: ich föhne mir meine wimpern – Ich kenne die Autorin von Instagram, sie vereint tiefes Leid und ehrlichen Humor, ich mag sie sehr. Ihren ersten Gedichtband werde ich öfter lesen.
Charly Mackesy: Der Junge, der Maulwurf, der Fuchs und das Pferd – Kennt ihr das? Ein Buch ist einfach nur freundlich. Warm. Herzlich. Es gibt endlich mal Antworten. Und dann denkst du: Das muss Kitsch sein! Nun, dies ist kein Buch für Besserwisser, sondern eins für Leute, die sich aufwärmen wollen. Wunderschön ist es auch.
William Goldman: Die Brautprinzessin – Witzige, selbstironische und überaus unterhaltsame Genrespielerei. Ich weiß nicht, ob das Fantasy ist, aber ich hoffe es, denn dann hätte ich ein gutes Fantasy-Buch gefunden. Und Stephen King spielt auch mit.
Und das war’s schon wieder… Dabei stapeln sich hier noch viel mehr Bücher. Und die Stadtbibliothek ruft. So vieles, was ich gerne noch lesen will! Was habt ihr auf dem Zettel? Ein frohes neues Jahr mit euren Büchern!