Kleine Theaterbeschimpfung

Die Kulturfritzen – Projektbüro für kulturelle Angelegenheiten im sozialen Netz – haben unter #theaterimnetz zur Blogparade aufgerufen, und kurz vor Schluss habe ich es auch mitbekommen; schon allein das zeigt, wie schlecht vernetzt die Theaterszene vor allem auf Twitter ist. Nun denn, die Diskussion, die ich hier nachlesen konnte, hat mich gleich beschäftigt, hier also mein Beitrag inklusive kleiner Theaterbeschimpfung.

Ich bin weiß, Akademikerin und lebe in der Stadt. Von klein auf sind meine Eltern mit mir ins Theater gegangen, haben Konzerte mit mir besucht und mich zu Kunstkursen angemeldet. Letztendlich bin ich selbst in einem Theaterberuf gelandet. Und noch nicht einmal ich interessiere mich für das, was ich in der Regel auf den offiziellen Theateraccounts lesen kann.

Was mich weitaus mehr interessiert, sind die Theatermenschen, mit denen ich über soziale Netzwerke in Kontakt treten und bleiben kann. Hier höre ich Geschichten, hier werden Erfahrungen geteilt und Meinungen gepostet. Hier findet auch Interaktion statt. Ein Beispiel: Shermin Langhoff äußert sich auf Facebook oftmals politisch und macht deutlich, dass das, was sie da postet, ihr auch wirklich wichtig ist. Viel spannender, als eine Spielplaninformation oder ein Foto von niedlichen Kindern im Weihnachtsmärchen, die nicht ahnen, dass sie gerade ein Marketingkonzept darstellen.

Soviel zu meinem persönlichen Zugang zum Thema. Ich bin aber nicht unbedingt repräsentativ für eine Masse. Klar, im Internet findet jede_r eine Nische, aber kann es eigentlich das Ziel kultureller Arbeit sein, eine Nische für weiße Akademiker_innen zu bilden? Oder anders gefragt: Zeigt sich online nicht einfach nur ein weiteres Mal, wer auch offline NICHT kommt?

Es reicht nicht, eine Dramaturgin, die noch zahlreiche andere Aufgaben hat, dazu zu verdonnern, dreimal pro Woche etwas zu posten. Gerade die Kulturinstitutionen und Theaterschaffenden müssen sich auch dazu befragen, mit wem sie überhaupt reden wollen. Offline, online, vor allem aber direkt und aufrichtig interessiert. Und wenn man sich dafür entscheidet, in einer elitären Nische zu bleiben, dann erreicht man vermutlich eben einfach keine hohen Followerzahlen. Auch das kann eine Entscheidung sein.

Es geht nicht um den Kontakt von Theater und digitaler Welt. Sondern ganz schlicht um: Theater und Welt.

Und deshalb greift auch die Frage nach neuen Konzepten für Digitales in den Inszenierungen/im Theaterraum m.E. zu kurz. Klar, da kann man noch viel machen. Ich arbeite selbst „teilberuflich“ als Autorin für transmediales Erzählen, insofern bin ich mir sicher, dass hier noch viel möglich ist und dass man alles ausprobieren sollte.

Das wird dann interessant – zumindest für mich. Aber es wird nicht reichen. Was ich mir wirklich wünsche, das ist ein viel weiterer Theaterbegriff, als ich ihn in vielen Debatten wahrnehmen kann. Ich wünsche mir neue Formen, veränderte Formen, uralte Formen, die in erster Linie darauf zielen, auf irgendeine Weise zu kommunizieren – und nicht nur mit denen, die ich schon kenne. Es geht nicht nur darum, zu lernen, online zu kommunizieren, auch offline müssen wir uns da immer wieder überdenken! Klar, ich persönlich schaue mir auch mal gerne eine Drameninszenierung an. Meine gesellschaftlichen Sehnsüchte und meine Neugierde befriedigt diese aber nur selten. Und ich bin mir sicher: Das hergebrachte Bühnengeschehen, wie ich es seit Schulzeiten kennengelernt habe, ist nur ein kleiner Teil der Theatergeschichte, der Theaterwelt. Und sehr viele Menschen interessieren sich – folgerichtig – überhaupt nicht dafür.

Deshalb folgt hier wie angekündigt die kleine Theaterbeschimpfung:

Theater, kriegt eure Aersche hoch und kommuniziert mit den Menschen, denen ihr am Arsch vorbei geht! Offline, online und überall dazwischen.

 

PS: In diesem Text habe ich nur vage angedeutet, was ich selbst beruflich mache. Vermutlich würden viele Kolleg_innen fragen: Ist das ein Theaterberuf? Ist das hier überhaupt ein Theaterblog? Manchmal nenne ich Dinge, die ich tue, einfach „Begegnungsdesign“. Ist das für euch Theater? Wie seht ihr das? Ich freue mich über Diskussionen.

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