Die Verwaltungsgesellschaft

Gestern habe ich ein neues Wort erfunden: Verwaltungsgesellschaft.

Weil ich von klein auf gelernt habe, dass die Begriffe „neu“ und „erfunden“ tückische Begriffe sind, habe ich es gegooglet. Natürlich gibt es das schon: Verwaltungsgesellschaften verwalten andere Gesellschaften. Das passt. Ich möchte eine Umdeutung erwirken und den Begriff erweitern.

Meine These: Wir alle leben in einer Verwaltungsgesellschaft, in der systemerhaltende Prozesse verschlungenen Wegen folgen. Ich möchte meinen, dass wir zwar über Bürokratie stöhnen, vieles, was zur Verwaltungsgesellschaft gehört, aber nicht mal mehr wahrnehmen.

Als Kreative denke ich in diesem Fall visuell: Die Verwaltung ist längst ein unkontrollierbares Wesen, das uns lenkt – wer glaubt, dass er sie kontrollieren kann, wird böse überrascht. Wer glaubt, dass er sie zur Gänze beschreiben kann auch. Wie eine Muräne lukt sie hier und das aus einer Felsspalte und lässt uns im Dunkeln über ihre Größe, ihre Pläne, ihren Jagdtrieb. Und deshalb wird sie am Ende auch wahrscheinlich gegen uns gewinnen.

Ich besitze nicht die Lässigkeit der EU-Kommission den Abbau der Bürokratie zu fördern, wie Jean-Claude Juncker und Edmund Stoiber. Quelle. Wenn die beiden die Muräne am Schwanz kitzeln wollen, bitte sehr.

Dieses Blog allerdings soll meinen persönlichen Weg durch die Verwaltungsgesellschaft dokumentieren: Als freie Kreative im Dschungel der Förderauflagen und Sachberichte, mit methodischen Waffen, um trotzdem noch was zu erreichen, mit Skurrilitäten und Tricksereien um die Muräne abzulenken und natürlich mit den wunderbaren Momenten, wenn sie ganz kurz mal gar keine Rolle spielt.

Und wenn dann in 237 Jahren die Muräne an Altersweisheit gestorben ist und Marsmenschen mein Blog als einzige Quelle haben, dann werden sie sagen: Genau so war es. Und es in ihren Lehrplan und die Prüfrichtlinien übernehmen. Damit sowas nie, nie wieder passiert.

 

Ein bisschen frei. Mein berufliches Selbstverständnis.

Was machst du beruflich?

– Hm. Achje. Also ich bin freie Theaterschaffende, Theater- und Kulturpädagogin und Autorin für transmediales Erzählen.

Was ist das denn?

-Das erzähle ich besser mal in einem anderen Blogeintrag, sonst dauert das hier zulange.

Okay. Und was macht man so als Theaterpädagogin?

– Ich arbeite mit normalen Menschen und entwickle mit ihnen Theaterprojekte, also einen künstlerischen Prozess. Und je nachdem, wie der Bedarf ist, gucke ich natürlich auch, dass z.B. die Kinder in der Gruppe sich nicht die Köpfe einschlagen, sondern möglichst frei entfalten und gut entwickeln können.

Und schauspielerst du auch?

– Ich bin keine Schauspielerin.

Aber du machst Theater!

– Ja.

Und was genau?

– Alles was dazu gehört. Ich denke mir Sachen aus, schreibe Konzepte, suche Geld zusammen, führe Regie oder performe mit… In letzter Zeit gerne im öffentlichen Raum und als Gruppe organisiert. Wenn ich halt das Geld dafür aufgetrieben kriege.

Und dann machst du so Shakespeare oder so…

– Eher nicht. Obwohl das auch schön sein kann.

Und an welchem Theater bist du da in Leipzig?

– An keinem.

Aber wer bezahlt dich denn?

– Das ist ganz unterschiedlich. Offiziell immer irgendeine Institution oder ein Verein, aber mit öffentlichen Mitteln, die ich entweder selber beantragt habe, über den Verein oder die Institution, weil ich das alleine nicht durfte. Oder sie haben diese Arbeit selber gemacht und heuern mich nur an. Das ist entspannter, aber in den eigenen Projekten steckt natürlich von Anfang an mehr Herzblut.

Aber wer finanziert denn sowas?

– Die Stadt, das Land, die EU, verschiedene Stiftungen…

Du bist ganz schön fit in sowas, oder?

– Naja… Na gut, das hier steht ja im Internet, also: ja.

Und kannst du denn davon leben?

– Ja. Aber ich werde nicht reich.

Na, das ist ja nicht wichtig.

– Wie man’s nimmt. Nein, mir war das wirklich nie wichtig. Aber eine Rente wäre schon schön. Trotzdem, ich habe mich ja aktiv für die Freiberuflichkeit entschieden, und ich will es auch erstmal nicht mehr anders haben.

Warum?

– Ich habe einige Zwänge: Muss mich permanent um die Existenzsicherung kümmern, mir viel mühsamer Gehör verschaffen und immer wieder genau diese Fragen beantworten. Wegen den letzten beiden Punkten fange ich jetzt sogar an zu bloggen.

Aber?

– Naja, ich bin nur mir verpflichtet. Ich entscheide, was mich ernährt, und was ich trotzdem auch noch unbedingt machen will. Ich bin immerhin ein bisschen frei.