Es ist mal wieder Zeit. Eigentlich wimmere ich in puncto Flüchtlingspolitik nur noch leise im Familienkreis vor mich hin und habe keine Lust mehr, mich an jedem Aufreger zu beteiligen. Ich ertrage Friedrich Merz, ich ertrage Philipp Amthor, ich ertrage Markus Lanz, (Precht gucke ich mir gar nicht erst an), ich halte Nancy Faeser aus und eigentlich auch alle anderen. Das geht insofern ganz gut, als ich ja nicht betroffen bin, hurra. Und wenn dann so ein Flugblatt kommt, und so eine lässige Nicht-Erklärung wie bei Aiwanger, dann überkommt mich einfach das Gefühl eines kompletten politischen Kontrollverlusts. Die AfD drängt mehr und mehr in Ämter und ich habe Angst. Wahrscheinlich nicht halb so viel, wie andere Menschen, die sichtbarer auf der Feindesliste stehen.
Und nun also Olaf Scholz und seine Hammeridee, „die Probleme“ dadurch zu lösen, „endlich im großen Stil abzuschieben.“ Das ist ja erstmal eine hochinteressante Idee: Wenn (!) die Wähler_innen mit der Aufnahme von Geflüchteten Ängste oder Ärger empfinden, dann ist die Vorstellung, diese Menschen einfach loszuwerden natürlich reizvoll. Abgesehen von allen moralischen Bedenken lautet die Erzählung dann ungefähr so: Wir haben Leute aufgenommen, dann wurde es uns zuviel, und da haben wir dann nach bestimmten Kriterien Leute ausgewählt und die wieder weggeschickt und die sind jetzt auch weg.
Was für ein Blödsinn!
Wir leben in einer globalisierten Welt. Apfelsinen und Billigschuhe bedeuten eben auch, dass die Welt zusammenrückt. Wir haben von diesem Zustand massiv profitiert und tun es noch. Eine riesige Ungerechtigkeit. Menschen fliehen vor Kriegen und Zuständen, die auch wir durch unsere kolonialen Aktivitäten erzeugt haben. Und es werden noch viel mehr Menschen fliehen, wenn der Klimawandel Fahrt aufnimmt. Wir haben mit unseren Emissionen und unserem (Fleisch)-konsum eine Welt gestaltet, in der wir der Fluchtpunkt sind. Je mehr Menschen kommen, desto absurder wird der Abschiebeplan. Dann müssen wir uns eben fragen: Wollen wir Gewalt, Bewaffnung, im Ernstfall Bürgerkrieg? Oder fragen wir uns vielleicht doch besser: Wie gestalten wir diese Situation zusammen?
Bei unseren Politiker_innen sehe ich leider wenig Bereitschaft, diese Zusammenhänge mit den Wähler_innen zu besprechen. Man macht sich damit nicht beliebt, also greift man lieber zur Merkel-Taktik: Die erzählt bis heute, dass nicht absehbar war, dass 2015 so viele Menschen kommen würden. Bullshit, Sachverständige haben das wieder und wieder gesagt. Aber die Vorstellung, dass es plötzlich über dem Balkan Muslime geregnet haben solle, die hält sich irgendwie hartnäckig.
Da wird viel gelogen. Das nützt der AfD.
Es ist, als ob man den Kindern hartnäckig vom Weihnachtsmann erzählt, obwohl draußen längst andere Leute stehen, die ganz unterschiedlich sind. Aber ES MUSS DER WEIHNACHTSMANN SEIN!!1! Da wird viel gelogen, und auch Olaf Scholz lügt, wenn er so tut, als läge die Lösung für alles was schwierig ist, in mehr Abschiebungen. Er lügt, weil er nicht zugeben will, dass er die Migration nur begrenzt einschränken kann. Und das ist ein direkter Service für die AfD: Politiker_innen die die Migration begrenzen/abstellen wollen, greifen ihre Themen auf. Und, was noch viel schlimmer ist: Politiker_innen, die unhaltbare Versprechungen machen oder wissentlich lügen, bestätigen die Wählerschaft direkt in ihrem Demokratieverständnis. Das ist katastrophal. Der einzige Weg mit der AfD umzugehen, ist authentisch mit den Leuten zu reden. Nicht auf Podien, das wird nur ausgenutzt, aber im direkten Kontakt. Klar und ehrlich für das eintreten, was man selbst auch vertreten kann. Und für sinkende Flüchtlingszahlen würde ich nicht meine Hand ins Feuer legen.
Wem traut ihr das zu? Ich werde schon wieder so müde…