Also flugs an der Tür eine der letzten Karten gekauft und den allerbesten Platz gesucht – und den sorgsam zusammengestellten musikalischen Unverschämtheiten von Livin on a prayer bis Abenteuerland zuhören. 700 Menschen im Felsenkeller, die alle entertained werden wollen – eigentlich eine sehr unangenehme Vorstellung für mich. Der Begriff Comedy klingt für mich – ganz althergebracht – ziemlich flach, während Kabarett wiederum so schulmeisterlich wirkt. Natürlich gibt es gerade in den USA sehr sehr gute Vertreter_innen von Stand Up, aber hier in Deutschland hatte ich das Thema eigentlich lange abgehakt, seit es vor 20 Jahren hieß „der Dieter Nuhr kommt auch vom Niederrhein und ist voll witzig“ – nun ja. Nicht alle altern in Würde.
Dann allerdings ging es los, dass reihenweise Comediens (hauptsächlich Männer) anfingen, über ihre Depressionen zu sprechen, was jetzt nicht unbedingt so positiv klingt, wie es soll. Ich habe das sehr genau verfolgt, denn wenn es etwas gibt, was ich mag, dann Humor mit einer gewissen Fallhöhe. Leider allerdings kamen die Depressionen häufig eher in einzelnen Sendungen oder gar Talkshows vor, die Comedy fand auf einer anderen Bühne statt. Das ist natürlich legitim, aber ist es nicht doch auch irgendwie – schade?
„Die große Moritz Neumeier ich bin noch auf der Suche, treten Sie näher, keine Ahnung, was dann passieren wird-Show“.
Da saß ich nun also am Samstag, dritte Reihe Mitte, ein Publikum, dass aus Fans bestand und ein Künstler, der sehr sympathisch, sehr fies, manchmal konfus aber immer auf den Punkt sprach. Der alles, jeden Mucks freudvoll be- und aburteilte, vor allem auch sich selbst. Und der tatsächlich einfach sehr wahr über Kinder/Elternschaft und über Depressionen sprach. Als Teil seines Programms. Nicht als „große Moritz Neumeier-Show“, sondern eher als „große Moritz Neumeier ich bin noch auf der Suche, treten Sie näher, keine Ahnung, was dann passieren wird-Show“. Das muss man erstmal hinkriegen. Ich weiß das, denn ich kenne diese Themen aus eigener Erfahrung sehr gut. Und ich brauche keine Künstler_innen, die über Abgründe sprechen, gleichzeitig aber immer die voll Perfektion bewahren. Damit kann ich nichts anfangen.
„Ich weiß es doch auch nicht“ – so hießt ein früheres Programm, „Unangenehm“, so heißt das aktuelle. Es ist witzig, es ist wahrscheinlich erstunken und erlogen, es ist möglicherweise so ehrlich, wie man vor einem ausverkauften Saal sein kann.
Ich hoffe, dass er damit viel (nicht zuviel) Erfolg hat. Geht hin!