Laut KSK-Zahlen verdiene ich als Frau jährlich vermutlich 5000 € weniger als ein Mann meines Alters und Berufs.
Von diesen 5000 € könnte ich endlich nach Neuseeland reisen. Eine tolle Altersvorsorge bezahlen. Ich könnte auch einfach weniger arbeiten.
Stattdessen bin ich am letzten Samstag zur Konferenz „Theater.Frauen“ nach Berlin gefahren. Und war einmal mehr erstaunt, wie unterschiedlich Menschen auf das Thema „Frauen im Theater“ zugehen, heißen die Parameter für mich doch ganz einfach: Geld und Respekt.
Im Workshop von Polasek&Grau wurde das ganz besonders deutlich, und es ist ihr Verdienst, dass sie die dadurch entstehende Diskussion nicht abgewürgt haben, obwohl der ursprünglich geplante Ablauf vermutlich etwas anders gedacht war. Im entstehenden Gespräch trafen Menschen, die sich seit Jahren mit Gender- und Gleichstellungsfragen beschäftigen auf sehr nachdenkliche Workshopleiterinnen, die der Thematik teilweise skeptisch gegenüberstanden. Und zum ersten Mal habe ich verstanden, warum viele Frauen jeglicher Genderdiskussion so distanziert begegnen: „Ich will doch kein Opfer sein.“ Ich teile die Annahme dahinter überhaupt nicht, denn Missstände zu benennen macht mich meines Erachtens nicht zum Opfer – und doch frage ich mich seither, was denn schiefgegangen ist, wenn aus einer Genderdebatte gefühlt eine Opferdebatte wird. Und ich bekomme Lust: mehr zu fordern, öfter zu verhandeln. Kurz: Mehr zu kriegen!
Im zweiten Workshop von Elisa Müller (Label müller*****, LAFT Berlin) ging es dann nach einem Überblick über die raren Zahlen zu Frauen in der freien Szene (es gibt Frauen in der freien Szene! viele!! und sie schätzen die flexiblen Arbeitszeiten!) schnell um all die typischen Fragestellungen rund um das Arbeiten als Freischaffende/r. Der Focus lag somit bald gar nicht mehr auf den Frauen, und wie sollte er auch: Eine ausführliche Studie fehlt. Vielmehr hatte die Runde den Charakter eines Austauschs über ein für Frauen wichtiges Beschäftigungsfeld und wurde als solcher auch genutzt.
Richtig schön war dann aber die Podiumsdiskussion zum Abschluss. Zum ersten Mal in meinem Leben saß ich vor einem Podium, das nur mit Frauen besetzt war – da ist es dann auch nicht mehr nötig, über role models zu sprechen. Eine äußerst unterhaltsame Runde war es noch dazu. Und ja, es bestärkt mich, wenn ich höre, wie Susanne Kennedy ihre Gagen verhandelt. Richtig spannend wurde es dann bei der Frage nach einer Frauenquote für bestimmte Berufe/Leitungspositionen im Theater – spannend vor allem, weil sie einhellig eher abgelehnt wurde. Der Eingriff in die künstlerische Freiheit der IntendantInnen sei zu groß. Lieber finanzielle Anreize bei besonderem Engagement. Alles verständlich, wenn es um das Maxim-Gorki-Theater unter der Leitung von Shermin Langhoff geht. Aber in der sächsischen Stadttheaterszene? Bei mir blieb der Eindruck, dass diese Argumentation nachvollziehbar, aber auch ein wenig bequem ist. Denn vermutlich hätte so mancher Aufsichtsrat irgendeines Automobilkonzerns auch sehr gern ein mächtiges Narrativ wie das der Kunstfreiheit bemüht, so er denn gekonnt hätte…
Was bleibt? Das Rad war schon lange erfunden, etwas wirklich Neues habe ich in Berlin nicht entdeckt – eher Bestärkung erfahren. Aber einen neuen Begriff gelernt, sogar eine neue Taktik: Positive Gossiping. Reden wir positiv – z.B. über (andere) Frauen! Fragt jemand nach qualifizierten Kollegen (!) – nennen wir die Namen von 5 Kolleginnen! Ganz einfach, um uns gegenseitig Aufmerksamkeit zu verschaffen, letztlich gehört zu werden.
Bisher fallen mir diese 5 Namen auch nicht immer so schnell ein. Aber ich übe jetzt. Und mache den Anfang mit diesem Artikel: „Theater.Frauen“ war eine richtig schöne Veranstaltung. Entstanden aus einer Idee von 2 Studentinnen der Theaterwissenschaft von der FU Berlin: Maria Nübling und Christina Gassen. Ich musste mehrfach an Facebook-Fotos heranzoomen, um diese Namen hier reinschreiben zu können.
Aber jetzt. Positive gossiping!
Ein Gedanke zu „positive gossiping: über Theater.Frauen“